Für jede Lösung ein Problem
unangenehm, und trotzdem werden wir Singles ständig damit konfrontiert.«
Meine Mutter schwieg ein paar Sekunden. Dann sagte sie: »Du weißt doch, dass Fred an der Prostata operiert wurde.«
»Wie bitte?«
»Mehr sage ich nicht dazu«, sagte meine Mutter. »Meine Lippen sind versiegelt. Ich bin die Diskretion in Person. Weißt du, wenn du wenigstens ab und zu mal mit einem Mann zu den Familienfeiern kämst, könntest du bösartigen Gerüchten vorbeugen. So wie deine Cousinen Franziska und Diana.«
»Die kommen jedes Mal mit einem anderen Mann«, sagte ich. »Tante Marie-Luise tut zwar immer so, als würden morgen die Hochzeitsglocken läuten, aber wenn du mich fragst, sind die Kerle alle gemietet. Mit wem sind sie denn diesmal wieder gerade so gut wie verlobt?«
»Oh, Dianas neuer Freund ist ein Börsenmakler«, sagte meine Mutter. »Und Franziska hat immer noch den vom letzten Mal. Sie wird wohl im Herbst heiraten.«
»Den Friseur mit der Elvisfrisur und der Stimme wie Goofy?«, fragte ich ein bisschen schockiert.
»Er ist nicht nur ein Friseur«, sagte meine Mutter. »Er besitzt vier Läden in der Stadt. Und Marie-Luise hat Franziska klargemacht, dass man mit dreißig nicht mehr warten kann, bis der Prinz auf dem weißen Pferd angaloppiert kommt. Da muss man auch schon mal Kompromisse eingehen. Und ein Mann mit vier florierenden Geschäften ist in diesen Zeiten nicht zu verachten. Was haben die eigentlich in der Apotheke zu den Medikamenten gesagt?«
»Was?«
»Meinem Schuhkarton mit den Medikamenten. Du wolltest ihn in der Apotheke vorbeibringen.«
»Äh, ach, ja, die haben sich unheimlich gefreut«, sagte ich. »In Äthiopien leiden die Menschen doch gerade wieder mal unter einer schlimmen Epidemie von Schlafstörungen, und da kamen deine Schlaftabletten gerade recht.«
»Schön, schön. Ich muss mich jetzt für die Bridgerunde fertig machen«, sagte meine Mutter. »Ich frage auf jeden Fall, wo die Hanna ihren Hosenanzug herhat. Und ich schau auch mal im Heinekatalog rein, ob da nicht was für diesen Anlass drin ist. Ich ruf dich dann wieder an.«
Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht noch einen Widerspruchs-Versuch gestartet, aber warum sollte ich jetzt noch einen Streit vom Zaun brechen?
»Ja, Mama, tu das«, sagte ich. »Und danke für alles.« Ich fand, das waren würdige letzte Worte.
»Dafür sind Mütter doch da«, sagte meine Mutter.
Allerliebste Flo,
weißt du noch, wie wir zusammen die Geschichte von diesen Indianern gelesen haben, die sich im Traum miteinander unterhalten und sogar zusammen auf einen Berg steigen konnten? Stell dir vor, heute Nacht habe ich im Traum mit meinem zukünftigen Mann gesprochen. Er hatte eine Adlerfeder im Haar und kluge liebe Augen. Ich wusste sofort, dass er der Richtige für mich ist, denn mein Herz klopfte wie verrückt.
»Vertrödle nicht länger deine Zeit in der Ferne. Komm hierher zur heiligen Eberesche, an den Fuß des Adlerberges und heirate mich«, sagte er (auf indianisch, aber ich konnte ihn verstehen!!!). »Denn du und ich, wir sind füreinander bestimmt.«
Es war ein wunderschöner Traum. Als ich aufwachte, lag die Adlerfeder neben mir auf dem Kopfkissen, und ich bin natürlich sofort los und habe den nächsten Flug nach Amerika gebucht. Schon als Kind wollte ich immer einen Indianer heiraten. Ich hatte gerade noch Zeit, ein paar Sachen zu packen (dein Bügelperlen-Stirnband kann ich jetzt natürlich supergut gebrauchen!) und dir diesen Brief zu schreiben, damit du dich nicht wunderst, warum ich so plötzlich verschwunden bin.
Mein zukünftiger Mann ist Häuptling der Nikati-Indianer, das übersetzt so viel heißt wie »die, die im Paradies leben«. Er selber heißt Yakutu, und das bedeutet: »Der kluge schöne Mann, der seine Frau auf Händen trägt«. Die Namen bei den Indianern sind immer sehr weise gewählt. Ich bin heilfroh, dass ich nicht für Yakutus Bruder Ratuli bestimmt bin, das heißt nämlich übersetzt »der, dessen Füße stinken« – puh, Glück gehabt.
Was ich im Traum von dem Nikati-Dorf sehen konnte, war wirklich paradiesisch: ein klarer, blauer See, Wiesen und Wald, dahinter der majestätische Adlerberg mit Schnee auf dem Gipfel, und überall liefen Pferde herum, und Kaninchen hoppelten zwischen den buntbestickten Zelten. Und es gab ganz viele Büsche mitCranberries. Ein paar riesige Schildkröten habe ich auch gesehen. Die ganz kleinen Indianerkinder sind darauf geritten.
Wie du dir denken kannst, freue ich
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