Für jede Lösung ein Problem
…«
»hammerhart31.«
»Ja, der Perverse, also, die beiden haben jedenfalls nichts gemeinsam.«
»Nur das Aussehen«, sagte ich. »Vielleicht sind es astrologische Zwillinge, so etwas soll es geben.«
»Quatsch«, sagte Lulu. »Du hast da einfach etwas auf Patrick pro – ji – ziert!« Wenn Lulu mir gegenüber Fremdwörter benutzte, sprach sie sie immer besonders langsam aus. » Hammerhart! Du hastimmer ein Händchen für die unmöglichsten Typen. Im Internet ! Ich habe dir gleich gesagt, dass sich da nur Spinner und Perverse rumtreiben. Und jetzt gib mir mal Mama, ich muss was mit ihr besprechen.«
»Ja, aber mach nicht so lange, Großtante Elsbeth hat noch nicht angerufen«, sagte ich. »Ich weiß zwar nicht, wofür, aber ich muss mich dringend bei ihr entschuldigen.«
Ich entschuldigte mich auch bei meiner Mutter.
»Mama, es tut mir leid«, sagte ich, als uns wirklich keiner mehr einfiel, der noch anrufen konnte.
»So einfach geht das bei mir nicht«, sagte meine Mutter. »Du musst mal nachdenken , bevor du handelst.«
»Und wenn ich jetzt tot wäre?«, sagte ich.
»Das wäre genauso schlimm«, sagte meine Mutter.
Immerhin.
Bevor ich ging, suchte ich meinen Vater und fand ihn im Garten. Er setzte Zucchinipflänzchen ins Hochbeet.
»Papa? Sprichst du auch nicht mehr mit mir?«
»Worüber willst du denn sprechen, Gerri?« Er hatte immer noch sein Steingesicht aufgesetzt. »Das ist kein Spaß, weißt du?«
»Ich wollte niemandem weh tun«, sagte ich.
»Das ist doch lächerlich«, sagte mein Vater und sah plötzlich furchtbar wütend aus. »Wie willst du dir das Leben nehmen, ohne jemandem weh zu tun?«
»Ich dachte, es wäre nicht so schlimm für euch …« Dummerweise liefen mir schon wieder die Tränen über die Wangen. »In letzter Zeit ist es nicht besonders gut für mich gelaufen, Papa. Nicht nur ihr hattet ein anderes Leben für mich geplant – ich auch! Außerdem habe ich wohl eine gewisse neurotische Veranlagung und … obwohl ich gekämpft habe und geschuftet wie ein Ochse … war es am Ende der einzige Ausweg.«
»Wir bekommen nicht immer das Leben, das wir geplant haben«, sagte mein Vater. Auf seiner Stirn war die Ader angeschwollen, die sonst nur herauskam, wenn er beim Tennisspielen verlor. »Ich hattesicher auch nicht geplant, dass meine jüngste Tochter mal versuchen würde, sich das Leben zu nehmen.«
»Wie gesagt, ich wollte niemandem weh tun«, sagte ich.
Mein Vater presste seine Lippen aufeinander.
»Und mal ehrlich, ich hätte doch niemandem von euch wirklich gefehlt!«, platzte es aus mir heraus. Aha, da war es doch wieder zum Vorschein gekommen, mein angeblich zoffliebendes Unterbewusstsein. »Ich kann euch doch sowieso nie etwas recht machen. Ihr schämt euch für meine Haarfarbe und für meinen Beruf, ihr schämt euch dafür, dass ich noch keinen Mann gefunden habe. Ich weiß, dass ich eigentlich ein Junge hätte werden sollen. Du hast dir vier Mal einen Sohn gewünscht und immer nur eine Tochter bekommen. Mit jedem Mal ist deine Enttäuschung größer geworden. Aber man bekommt eben nicht das Leben, das man sich wünscht, nicht wahr? Man muss sich mit dem zufrieden geben, was man hat.«
Ich hatte mich so in Rage geredet, dass ich sogar wieder aufgehört hatte zu weinen. Mein Vater war offenbar so überrascht, dass er unfähig war, etwas zu erwidern.
»Na, wenigstens hast du ja jetzt Enkelsöhne«, sagte ich, drehte mich um und ging.
***
»Guck mal, wer hier ist«, sagte Charly, als sie mir die Tür öffnete.
Es war Ole. Er sah mich sehr ernst an, seine Augenbrauen waren in der Mitte zusammengezogen. Diesen Blick kannte ich gar nicht an ihm. Sonst sah er mich immer an, als wäre ich das Christkind höchstpersönlich, mit großen, strahlenden Blauaugen.
Na bitte, dann eben nicht! Er war ja nicht der Einzige, der mich finster anguckte. Daran konnte man sich gewöhnen.
»Wir müssen reden«, sagte Ole.
»Ich will mit niemandem reden«, sagte ich, machte einen Bogen um ihn herum und stapfte auf Charlys Übungsraum zu. Zwischen den Eierkartons wollte ich mal so richtig laut und ausgiebig heulen.Außerdem sah ich nicht besonders gut aus. Meine Haare waren ungewaschen, ich war nicht geschminkt (es lohnte sich nicht – ich musste so viel heulen, dass sowieso immer alles gleich wieder verwischte), und ich hatte ein ausgeleiertes T-Shirt von Charly an, auf dem »Fuck yourself« stand.
»Sie kommt gerade von ihren Eltern«, erklärte Charly. »War es sehr schlimm,
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