Für jede Lösung ein Problem
Adrian.
»Weiß ich auch nicht. Aber ich weiß noch, was Lakritze mir alles erzählt hat. Bekommt sie deswegen Ärger?«
»Nein«, sagte Adrian. »Das kann unter uns bleiben.«
Das war wirklich nett. »Danke. Ist sie sauer auf mich, weil ich mich umgebracht habe?«
»Hat sie auch einen Abschiedsbrief bekommen?«
»Nein.«
»Dann weiß sie von nichts«, sagte Adrian. »Sie hat heute Vormittag frei. Hören Sie, Gerri, ich habe Ihr Manuskript gelesen. Ich muss sagen, ich finde es gut. Es ist wirklich – gut !«
»Danke«, sagte ich verblüfft. Er hatte sie aus Versehen bei ihrem Vornamen genannt, und aus unerklärlichen Gründen fing ihr Herz deshalb an zu rasen.
»Ich finde auch Ihre Argumente sehr einleuchtend«, sagte Adrian. »Sie verstehen wirklich was vom Figurenzeichnen und Plots.«
»Habe ich doch gesagt«, sagte ich.
»Also, ich würde Leas Weg in die Dunkelheit gerne als ersten Ronina-Roman in den Druck geben«, sagte Adrian. »Deshalb habe ich eigentlich auch angerufen. Ich wollte mir das Einverständnis für eine posthume Veröffentlichung einholen und klären, wer das Honorar bekommt.«
»Ja, also, das wäre vielleicht wirklich ein bisschen früh für so etwas gewesen«, sagte ich und stellte mir vor, wie meine Eltern auf diesen Anruf reagiert hätten, wenn ich die Schlaftabletten wirklich geschluckt hätte. Herzliches Beileid, und dürfen wir den Vampirroman Ihrer Tochter veröffentlichen? Von dem Geld können Sie einen schönen Sarg kaufen.
»Ja, ich weiß«, sagte Adrian. »Aber ich wollte eben sofort wissen, wie es Ihnen geht.«
»Na, aber wenn ich doch tot gewesen wäre …«, sagte ich.
»Es hätte ja sein können, dass Sie nicht genug Schlaftabletten genommen hätten«, sagte Adrian, und jetzt klang er etwas gereizt. »Oder Sie wären rechtzeitig gefunden worden.«
»Aber …«, begann ich.
»Kein Aber , Kind!«, zischte meine Mutter aus purer Gewohnheit hinter der Tür.
»Das Honorar bekomme auf jeden Fall ich«, sagte ich. Das würde wenigstens mein Konto wieder ins Plus bringen.
»Gut«, sagte Adrian. »Das hätten wir also geklärt. Alles Weitere besprechen wir dann später.«
Ich wollte noch nicht, dass er auflegte. »Wären Sie zu meiner Beerdigung gekommen?«, fragte ich leise.
»Ich hätte einen Kranz geschickt«, sagte Adrian und legte auf.
Lieber Harry,
entschuldige bitte die Verspätung, aber ich hatte einfach zu viel mit den Vorbereitungen für meinen Selbstmord um die Ohren. Hier kommt aber endlich der Achtzeiler für die Festschrift zur Silberhochzeit deiner Eltern:
Alexa wollt’ nen reichen Mann, holla hi holla ho
Machte sich an Fred heran, holla hihaho
Auto, Kinder, Hund und Haus, holla hi, holla ho,
alles sieht am besten aus, holla hi ha ho.
Wehe, ’nem andern geht es besser, holla hi, holla ho
Wetzt Alexa schon das Messer, holla hi ha ho.
Hat Fred es auch an der Prostata, holla hi, holla ho
ist das Leben ganz wunderbar, holla hihaho.
Herzliche Grüße in D-Dur von deiner Cousine
Gerri
P. S. Tut mir leid, dass ich dir gesagt habe, wenn man Seife isst, könnte man fliegen. Aber ich war ja selber noch klein und konnte nicht wissen, dass du Blödmann noch Jahre später überall Seife aus den Toiletten mopsen und in dich reinstopfen würdest. Du warst immerhin schon neun Jahre alt, als du – mit Seife gedopt – von Onkel Gustavs Garage gesprungen bist! Ehrlich, ich frage mich bis heute, wie du es mit diesen Anlagen zum promovierten Betriebswirt geschafft hast.
Z wölf
Meine Mutter ließ mich erst am Nachmittag wieder gehen, als auch noch die allerletzte ihrer Schwestern, Bridgedamen und Tanten angerufen hatte. (Meines Wissens hatte ich keiner von ihnen mehr einen Brief geschrieben, aber was sollte es? Ich entschuldigte mich bei allen.)
Obwohl meine Mutter in der Zeit mindestens dreimal an mir vorbeimarschierte (zum Beispiel zur Toilette), sah sie mich nicht an und sprach auch nicht mehr mit mir. Sie gab nur ab und an zischende Anweisungen durch die Tür. Zu essen und zu trinken bekam ich auch nichts.
Nach Schulschluss rief meine Schwester Lulu an. »Nanu, was machst du denn zu Hause? Ich dachte, Mama wollte dich nicht mehr über die Schwelle lassen.«
»Doch, leider«, sagte ich.
»Wo ich dich schon mal am Apparat habe: Erstens: Schön, dass du noch lebst, und zweitens: Dein Verdacht, Patrick betreffend, hat sich nicht bestätigt.«
»Dann ist es ja gut«, sagte ich.
»Ja«, sagte Lulu. »Patrick und dieser Typ, den du da aufgelesen hast
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