Für jede Lösung ein Problem
hier sind die Exposés für die gesamte erste Staffel. Sie können zweihundertdreißig weitere Romane von mir haben, vorausgesetzt, die Leser mögen es.«
Ich sah, dass Lakritze sich selber in den Arm kniff, als ob sie sicher gehen wollte, dass sie nicht träumte.
Ich holte tief Luft. »Ich möchte kein Honorar, sondern an den Verkäufen beteiligt werden.«
Sowohl Lakritze als auch Adrian sahen überrumpelt aus. Beide guckten ungläubig auf meine Schnellhefter.
»Das ist doch eher … unüblich«, sagte Adrian schließlich.
Ich zuckte mit den Schultern. »Denken Sie mal, wie viel Sie sparen, wenn Sie nicht ein Dutzend untalentierte Autoren verpflichten müssen. Und wenn es sich schlecht verkauft, haben Sie überhaupt kein Risiko.«
Adrian sah mich nur an. Ich versuchte, mich nicht von seinen grünen Augen ablenken zu lassen, sondern sah so unbefangen wie möglich zurück. Ich hatte hart gearbeitet in dieser Woche, und mit Charlys Hilfe hatte ich es geschafft, alle zehn Kinderkrankenschwester-Angela-Exposés in Ronina-Exposés umzuwandeln. Angela hieß jetzt Belinda, und der blonde, göttlich schöne Oberarzt Goswin war hinter ihr her, weil er a) auf Sterbliche mit Blutgruppe 0 stand (besonders bei Vollmond) und b) Ronina eine reinwürgen wollte, die mit Belinda auf sehr vertrautem Fuße stand und versuchte, die Machenschaften der intriganten Oberschwester Alexandra zu unterbinden, welche wiederum einen schwunghaften Handel mit den Blutreserven des Hauses unterhielt und damit im Untergrund lebende Abtrünnige unterstützte. Glücklicherweise gab es noch den Chefarzt Orlando, der wie immer Ordnung ins Chaos brachte, sich als hochbegabter Schwertkämpfer entpuppte und an dessen Brust Belindaam Ende eines jeden Abenteuers sinken konnte. Kein Mensch würde sie wiedererkennen, und doch konnte ich ganze Passagen wortwörtlich übernehmen. Das würde ein Spaziergang werden.
»Wenn Sie es gar nicht wollen, werde ich es woanders anbieten«, sagte ich. »Wie Sie schon richtig erkannt haben: Vampire liegen voll im Trend.«
»Wir haben das schon mal gemacht«, sagte Lakritze zu Adrian. »Mit der Colt -Reihe. Das war natürlich lange vor Ihrer Zeit, aber damals war der Erfinder und Autor ebenfalls am Ladennettoerlös beteiligt.«
»Erfunden habe ich es ja nicht«, sagte ich bescheiden. »Ich habe es nur – sagen wir mal – verbessert.«
»Wie viel wollen Sie?«, fragte Adrian.
»Fünf Prozent«, sagte ich.
Lakritze und Adrian tauschten einen Blick. Dann nickte Adrian langsam. »Ich muss das natürlich noch mit der Geschäftsleitung absprechen«, sagte er. »Und Ihre Exposés lesen. Wie haben Sie die nur so schnell schreiben können? Sie hatten doch auch noch so viel anderes zu tun.«
»Gerri ist ein Genie«, sagte Lakritze.
»Hm«, machte Adrian und sah mich durchdringend an.
»Lassen Sie sich Zeit«, sagte ich und versuchte, durchdringend zurückzugucken. »Bis sagen wir mal nächsten Freitag. Dann muss ich es allerdings wissen.« Ich kramte einen Kugelschreiber und einen Notizblock aus meiner Handtasche und schrieb Charlys Telefonnummer darauf. »Das hier ist meine Telefonnummer.«
»Aber ich habe doch Ihre Telefonnummer, Gerri«, sagte Lakritze.
»Nein, haben Sie nicht. Ich bin nämlich, äh, vorübergehend umgezogen«, sagte ich.
Adrian lächelte mich unerwartet an. »Haben Sie Ihrem Vermieter einen Abschiedsbrief geschrieben?«
Wusste er eigentlich, wie nett er aussah, wenn er lächelte? Dass sich in seinem linken Mundwinkel drei kleine Fältchen bildeten und noch mehr in seinen Augenwinkeln?
»Nicht alle Menschen können mit der Wahrheit so souverän umgehen«, sagte ich. »Manche nehmen es einem sehr übel, wenn sie wissen, was man von ihnen hält.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Adrian. »Je nachdem, wie viel man von ihnen hält.«
»Wovon reden wir gerade?«, erkundigte sich Lakritze.
Hallo, Herr Rothe!
Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern können, deshalb helfe ich Ihrem Gedächtnis sicherheitshalber mal auf die Sprünge: Gerri Thaler, Abiturjahrgang 98, Deutschleistungskurs. Obwohl ich das Pech hatte, Sie von der siebten Klasse an als Lehrer zu haben (abwechselnd in Geschichte und in Deutsch), nehme ich nicht an, dass Sie meinen Namen überhaupt jemals kannten: Sie haben mich immer Fräuleinchen, Fräulein Naseweis und Fräulein Besserwisser und Fräulein Guckindieluft genannt. Wir hatten auch viele Namen für Sie, aber die wenigsten davon werden Sie hören wollen.
Ich
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