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Für Menschen ungeeignet

Für Menschen ungeeignet

Titel: Für Menschen ungeeignet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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Idee praktisch aus dem Nichts entwickeln konnte.
    »Paß auf«, fuhr er fort. »Mein Koffer landet in der Vergangenheit. Ich habe einen Elektrorasierer da drin, ein Paar Hosen mit Reißverschluß, deine Plastikhaarbürste, eine Nylonbluse, und dann sind da mindestens noch ein Dutzend Bücher – von denen einige gerade erst erschienen sind. Es ist sogar Ettisons ›Western Ways‹ dabei, eine Geschichte der westlichen Zivilisation von 1490 bis heute.
    Der Inhalt dieses Koffers könnte diesen Wilden den Anstoß geben, die gesamte Geschichte der Menschheit zu verändern. Oder stell dir mal vor, von dem Inhalt dieses Koffers gerät etwas Europäern in die Hände, nachdem Amerika entdeckt worden ist. Wie sähe dann unsere Gegenwart aus?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Kay. »Und du weißt es auch nicht.«
    »Natürlich weiß ich es«, sagte Masrin. Es war alles kristallklar. Es überraschte ihn, daß Kay seiner Logik nicht folgen konnte.
    »Um es dir einfacher zu machen«, setzte Masrin neu an, »denk daran, daß die Geschichte sich aus einer fast unendlichen, aber doch begrenzten Zahl von Einzelentscheidungen und Faktoren zusammensetzt. Die Gegenwart ist aus all diesen Faktoren der Vergangenheit zusammengesetzt, und wenn du einen anderen Faktor dazu gibst, dann kriegst du prompt als Ergebnis eine andere Gegenwart. Aber die Gegenwart ist, wie sie ist, unveränderlich. Also bekommst du ein Paradoxon. Und ein Paradoxon darf es nicht geben!«
    »Warum darf es das nicht geben?« wollte Kay wissen.
    Masrin runzelte die Stirn. Für ein helles Mädchen kapierte sie diesmal ziemlich langsam. »Glaub mir einfach«, versicherte er. »Paradoxe sind in einem logischen Universum nicht gestattet.«
    Von wem nicht gestattet? Da hatte er auch schon die Antwort.
    »So wie ich es sehe«, fuhr Masrin fort, »muß es eine prinzipielle Gesetzmäßigkeit im Kosmos geben. All unsere Naturgesetze sind Ausdruck dieser Gesetzmäßigkeit. Dieses Prinzip verträgt sich nicht mit Paradoxen, weil … weil -« Er wußte, daß die Antwort etwas mit der Zurückdrängung des ursprünglichen Chaos zu tun hatte, aber er wußte nicht, warum.
    »Wie dem auch sei; dieses Prinzip verträgt sich eben nicht mit Paradoxen.«
    »Woher hast du denn diese Vorstellung«, fragte Kay. Sie hatte Jack nie zuvor solche Überlegungen äußern hören.
    »Ich beschäftige mich schon sehr lange mit solchen Gedanken«, offenbarte ihr Masrin und glaubte selber daran. »Es gab bisher nur keinerlei Anlaß, mich groß darüber zu verbreiten. Wie dem auch sei, ich gehe jedenfalls zurück, um den Koffer zu holen.«
    Er marschierte zurück in den Flur. Kay folgte ihm auf den Fuß. »Tut mir leid, daß ich dir kein hübsches Souvenir mitbringen kann«, meinte er bester Laune. »Unglücklicherweise würde das, genau wie der Koffer, in einem Paradoxon enden. Alles in der Vergangenheit hat dort seine Funktion als Faktor für das Werden der Gegenwart. Nimmt man dort was weg, so ist das, als würde man einfach eine Unbekannte aus einer Gleichung streichen. Man bekommt dann nicht mehr dasselbe raus.« Er begann die Treppe hinunter zu steigen.
    Auf der achten Stufe verschwand er wieder.
     
    *
     
    Er war zurück im prähistorischen Amerika. Die Wilden hatten sich um den Koffer versammelt, und er befand sich nur wenige Meter von der Gruppe entfernt. Noch hatten sie den Koffer nicht aufbekommen, stellte Masrin dankbar fest. Natürlich war schon allein das Auftauchen des Koffers eine recht paradoxe Angelegenheit – wie sein eigener Besuch hier ja nicht minder – aber Masrin hoffte, daß die Sache sich in Mythen und Legenden verlieren würde. Die Zeit hatte schließlich schon ein gewisses Maß an Flexibilität.
    Als Masrin sich die Wilden genauer ansah, wußte er nicht mehr zu sagen, ob es sich um Vorläufer der Indianer handelte, oder ob er es hier gar mit einer fremden Rasse zu tun hatte, die inzwischen ausgestorben war. Er fragte sich, ob sie ihn wohl für einen Feind hielten oder für eine Art Karnevalsversion eines bösen Geistes.
    Masrin rannte los, stieß zwei von den Burschen zur Seite, und schnappte sich den Koffer. Dann lief er zurück in Richtung des kleinen Hügels, begann an dessen Fuß entlang zu traben, bis er erschrocken stehen blieb.
    Er befand sich noch immer in der Vergangenheit.
    Wo, beim Chaos, war das Loch in der Zeit, überlegte Masrin, wobei ihm die Fremdartigkeit seines Fluchs nicht weiter auffiel. Die Wilden hatten sich jetzt an seine Verfolgung gemacht und

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