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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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bist
     du im Rechnen?«
    Nika lächelte schwach. Aus dem Zimmer drang noch immer Geschrei.
    »Was ist sie denn von Beruf?« fragte Nikita und setzte sich neben sie auf die Bank.
    »Schauspielerin. Sie hat jahrelang keinen Film mehr gedreht, und nun hatte sie eine Rolle in Aussicht.« Sie erzählte ihm von
     dem italienischen Regisseur, brach aber ab, als die Ärztin, der Pfleger und Onkel Wolodja aus dem Zimmer kamen.
    »Sind Sie sicher, daß Sie sie nicht ins Krankenhaus bringen lassen wollen?« fragte die Ärztin mürrisch.
    »Ganz sicher. Sie haben doch gesagt, es besteht keine Lebensgefahr.«
    »Ich würde sie trotzdem für eine Woche mitnehmen. Sie haben doch Kinder.« Sie nickte hinüber zur Küche, wo Nika und Nikita
     einträchtig auf der Bank saßen.
    »Vielleicht kommt so etwas ja nicht wieder vor?« fragte Onkel Wolodja unsicher. »Vielleicht sieht sie ein, daß das nicht geht
     …«
    »Sie wird gar nichts einsehen.« Die Ärztin schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, ich hab schon genug solche Dämchen erlebt. Hysterie
     plus absolute Hemmungslosigkeit. Denen würde ich am liebsten die Peitsche verschreiben.«
    Beim Wort »Peitsche« sprang Nika, die bis dahin mit gesenktem Kopf zugehört hatte, auf und sagte laut: »Daß Sie sich nicht
     schämen! Sie sind schließlich Ärztin. Meine Mama macht eine Tragödie durch. Sie wissen doch überhaupt nichts über sie!«
    Die Ärztin sah Nika mitleidig an, verließ wortlos mit dem Sanitäter die Wohnung und zog leise die Tür zu. Onkel Wolodja setzte
     sich an den Küchentisch und zündete sich eine Zigarette an.
    »Wie geht es ihr?« fragte Nika leise.
    »Sie schläft. Sie haben ihr ein Beruhigungsmittel gespritzt.«
    »Ein Beruhigungsmittel? Sie hat doch schon so viel Elenium geschluckt!« Nika war erschrocken.
    »Gar nichts hat sie geschluckt. Die Tabletten waren in ihrer Tasche. Zehn Stück. Wo die anderen abgeblieben sind, weiß ich
     nicht. Aber die Ärztin hat gesagt, sie hat überhaupt nichts geschluckt außer Wasser.«
    »Hier sind die anderen.« Nikita zeigte ihm die sechs Tabletten, die er in einen Kognakschwenker geschüttet hatte. »Ich hab
     sie hinterm Herd gefunden.«
    »Die hat sie also fallen lassen«, sagte Onkel Wolodja gleichgültig.
    »Aber Sie haben es doch selbst gesehen, Sie haben gesagt, Sie haben es gesehen«, flüsterte Nika.
    »Was ich gesehen habe, war eine Vorstellung mit Zirkuseinlage.«Onkel Wolodja lachte bitter, drückte die Zigarette aus und reichte Nikita die Hand. »Machen wir uns bekannt, junger Mann.«

Dreizehntes Kapitel
    Zorn und Verwirrung waren verraucht, und Russow hatte seine Anordnungen wegen Nikas plötzlicher Abreise zurückgenommen. Wirklich,
     was sollte der Blödsinn? Sie auf dem Flughafen abfangen, aufhalten, zurückbringen! War er denn noch bei Trost?
    Das heißt, natürlich hatte er sie abholen lassen; als sie aus dem Flugzeug stieg, wartete an der Gangway ein Wagen. Russow
     wußte, daß Nika ruhig und komfortabel in ihre Moskauer Wohnung gefahren war. Allerdings hatte man ihm berichtet, daß zusammen
     mit ihr eine komische zerlumpte Person aus dem Flugzeug gestiegen war – er hatte bereits die nötigen Anweisungen erteilt,
     um ihre Identität festzustellen.
    Diese Idioten waren total unfähig. Kurz vor der Amtseinführung war eine Frau in Nikas Sprechzimmer gestürmt, und die Wachleute
     hatten sie nicht aufgehalten. Vielleicht wirklich eine frühere Patientin aus Moskau? Nika sagte doch immer die Wahrheit. Das
     war ihre Hauptschwäche. Und für Schwächen hatte Russow von Kindesbeinen an einen untrüglichen Riecher.
    Dann war Nika zusammen mit dieser Patientin abgehauen, spazierengegangen, wie sie sagte. Doch offenbar hatten sie das Krankenhausgelände
     nicht durch das Tor verlassen, denn die beiden verschwanden spurlos. Auch das hatten die Wachleute verpennt. Und der Saporoshez?
     Wo kam der her? Wo war er geblieben? Wieso hatte er seine Frau zum Flughafen gefahren? Wieso trampelte überhauptjemand in Russows Privatleben herum und hinterließ dreckige Spuren?
    Am widerwärtigsten aber waren die höhnischen Blicke der niederen Chargen, wenn er, der Gouverneur, Anweisungen erteilte, die
     seine Frau betrafen. Sie war schließlich der einzige Mensch auf der Welt, dem er bedingungslos vertraute. Er hatte niemanden
     außer ihr.
    Gut, entschied Russow, ich muß mich beruhigen, ich muß mich beherrschen. Bis jetzt ist nichts Schlimmes passiert. Nika macht
     Sperenzchen, daran bin ich einfach nicht gewöhnt.

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