Für Nikita
der Mörder zu suchen ist, das werden
die Ermittlungen zeigen.«
»Aber soweit ich weiß, wird doch gar nicht ermittelt. Rakitin starb infolge eines Unfalls.«
»Die Umstände des Todes von Rakitin werden gerade operativ geklärt«, sagte der Hauptmann schnell.
»Das hier ist also ein Verhör?« vergewisserte sich die Lektorin ohne das geringste Lächeln.
»Ich hole lediglich operative Informationen ein.« Der Hauptmann lehnte sich entspannt im Sessel zurück.
Die Lektorin klopfte nervös eine Zigarette aus der Schachtel. Leontjew ließ sein Feuerzeug schnippen und holte ebenfalls seine
Zigaretten hervor. Eine Weile schwiegen sie. Schließlich sagte die Astachowa nachdenklich und friedfertig: »Nikita Jurjewitsch
war ein sehr verschlossenerMensch. Wir haben kaum miteinander geredet. Er brachte seine Diskette mit dem fertigen Buch, dann holte er sich die Korrekturen
ab. Guten Tag – guten Weg, das war alles.«
»Wann haben Sie ihn zum letztenmal gesehen?«
»Das ist lange her. Über einen Monat. Er hat sich das Geld für eine zusätzliche Auflage abgeholt.«
»Das Honorar wurde ihm in der Buchhaltung ausgezahlt?«
»Ja, wie es Vorschrift ist«, knurrte die Astachowa, und Leontjew war klar, daß sie keine Lust hatte, über die Autorenhonorare
zu reden. Na schön. Dann lassen wir das erst mal beiseite.
»Arbeitete er an einem neuen Roman?«
»Ja, wahrscheinlich.«
»Wahrscheinlich?« Leontjew war aufrichtig erstaunt. »Gab es denn keinen Vertrag?«
»Wir hatten keinerlei Vorvertrag.«
»Aber Sie planen doch Ihr Verlagsprogramm im voraus. Sie müssen doch wissen, ob ein Autor an einem neuen Buch arbeitet und
wann er damit fertig ist, wenigstens ungefähr.«
»Ja, das ist die übliche Praxis. Aber bei Rakitin war das anders«, sagte die Dame schnell. Ein bißchen zu schnell. Offenbar
ein weiterer wunder Punkt, registrierte Leontjew. Na schön, dann wechseln wir eben das Thema, sagte er sich und fragte: »Soja
Anatoljewna, sagen Sie bitte, was ist schlecht am Namen Rakitin?«
»Sie möchten wissen, warum Nikita Jurjewitsch ein Pseudonym angenommen hat?«
»Ja. Natürlich nur, wenn es kein Geheimnis ist.«
»Das ist kein Geheimnis.« Die Lektorin seufzte müde und sah auf die Uhr. »Wir haben schon einen Autor Nikita Rakitin, er erscheint
in derselben Reihe. Darum haben wirNikita Jurjewitsch vorgeschlagen, ein Pseudonym zu wählen. Aber wieso fragen Sie? Bei uns schreiben fast alle Autoren unter
einem Pseudonym.«
»Der andere Nikita Rakitin auch?«
Die Cheflektorin wurde flammendrot, was selbst unter der dicken Puderschicht auffiel, aber nur einen kurzen Augenblick. Sie
warf den Kopf in den Nacken und schüttelte ihr gepflegtes leuchtendrotes Haar.
»Ja. Das ist ebenfalls ein Pseudonym.«
Das Gespräch glich mehr und mehr einem Gang über ein Minenfeld. Leontjew wechselte erneut das Thema.
»Wer las als erster das Manuskript eines neuen Buches?«
»Wir haben immer zwei Ausdrucke gemacht, den einen bekam ich, den anderen der Geschäftsführer. Aber worauf wollen Sie eigentlich
hinaus? Unter den Mitarbeitern des Verlages hatte Rakitin keine Feinde. Der Tod eines so erfolgreichen Autors ist für uns
ein großer Verlust.«
»Ja, ich verstehe.« Der Hauptmann nickte. »Ich will auf gar nichts hinaus. Doch der Kreis derer, die über Rakitin Auskunft
geben können, ist sehr klein. Wie Sie zu Recht schon bemerkten, war Nikita Jurjewitsch sehr verschlossen. Zudem lebte er allein.
Von seiner Frau ist er seit sieben Jahren geschieden, seine Eltern sind noch nicht aus dem Ausland zurück, und außerdem wird
es sehr schwierig sein, mit ihnen zu sprechen. Sie haben immerhin ihren einzigen Sohn verloren.«
»Er hatte ein gutes Verhältnis zu seiner Tochter«, sagte die Lektorin schnell.
»Woher wissen Sie das?«
»Er brachte sie ab und zu mit in den Verlag. Das Mädchen wohnte oft bei ihm. Das weiß ich deshalb, weil sie manchmal bei ihm
ans Telefon ging. Ich will damit nur sagen, so ganz allein war er nicht. Wahrscheinlich gab es aucheine Frau. Ein unverheirateter junger Mann, interessant, ja, ich würde sagen attraktiv, obendrein ein berühmter Schriftsteller.
Selbstverständlich gab es da eine Frau. Soviel ich weiß, geschah der Brand ja auch nicht in seiner Wohnung, sondern in der
einer Bekannten, bei der er wohnte. Sagen Sie, ganz unter uns … Ich weiß, Sie dürfen mir das nicht sagen, Ermittlungsgeheimnis
und so weiter, aber trotzdem: War es doch Mord?«
Eben
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