Für Nikita
Sessel
wie ein Sultan. Er gab sich mürrisch und offiziell.
»Kommen Sie herein, Kollege Leontjew. Sie haben offenbar viel Freizeit, ja?« sagte Saïdow, ohne den Hauptmann anzusehen und
ohne ihm einen Platz anzubieten, und drückte energisch die eben erst angezündete Zigarette aus. »Sie betreiben private Ermittlungen?«
»Inwiefern?«
»Warum warst du im Verlag?«
Der Hauptmann setzte sich und steckte sich eine Zigarette an.
»Anwar Saïdowitsch, ich befasse mich mit einem Fall von unerlaubtem Waffenbesitz. Ich fahnde nach einem gewissen Anton Jewgenjewitsch
Sliwko, verurteilt wegen Mordes …«
»Sei still und hör zu!« Saïdow schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Bei wem wurden die Waffen und die Drogen gefunden?
Bei dieser, wie hieß sie noch?«
»Kudijarowa«, soufflierte der Hauptmann.
»Richtig. Bei der Kudijarowa. Was zum Teufel willst du dann von diesem Sliwko? Der existiert nicht. Die alte Nymphomanin spinnt.
Sie ist verrückt, das hat sie amtlich. Waffen und Drogen wurden bereits beschlagnahmt. Einsperren können wir die verrückte
Oma später immer noch. Also, warum machst du solchen Wind?«
»Und die Fingerabdrücke, Anwar Saïdowitsch? Die Fingerabdrücke auf der Büchse sind identisch mit denen von Anton Jewgenjewitsch
Sliwko, verurteilt wegen Mordes …«
»Vor fünfzehn Jahren«, erinnerte ihn Saïdow. »Er hat seine Haft redlich abgesessen.«
»Natürlich. Aber er ist verschwunden.«
»Und woher weißt du, daß er existiert? Aus den Worten der Alten? Vielleicht ist dein Sliwko längst tot, und die verrückte
Oma hat ihn nur geträumt.«
»Und die Fingerabdrücke auf der Büchse mit den Drogen waren auch nur ein Traum?« erkundigte sich der Hauptmann finster.
»Hör mal, spiel hier nicht den Ahnungslosen! Sag mir klipp und klar, Leontjew: Was soll das Ganze?«
»Ich vermute, daß Nikita Rakitin ermordet wurde. Dieser Unfall sieht aus wie inszeniert, und zwar von einem Profi. Und dieser
Profi könnte Anton Sliwko gewesen sein.«
»Ach, vermute, was du willst …« Saïdow seufzte schwer. »Man hat mir heute deinetwegen ziemlich die Hölle heiß gemacht, Leontjew.
Was hat dich bloß veranlaßt, im Verlag rumzuschnüffeln?«
»Was heißt hier rumschnüffeln? Ich hielt es für notwendig, mit einem Mitarbeiter des Verlages zu sprechen, in dem die Bücher
des Opfers erscheinen. Im Rahmen der operativen Information.«
»Wenn das mit deinem Schriftsteller wirklich ein Auftragsmord war, dann ist das ein ganz anderes Kaliber. Sag bloß, das ist
dir nicht klar?«
»Nein.«
»Jemand aus dem Verlag hat im Ministerium angerufen, bei Tschuritschenko persönlich, und zwar ziemlich aufgebracht. Was soll
das, da kommt so ein kleiner Hauptmann her und verhört die Cheflektorin. Tschuritschenko hat sofort Erkundigungen eingezogen
und erfahren, daß es überhaupt keinen Mordfall gibt. Na, daraufhin hat er mich heute früh natürlich runtergeputzt wie einen
Schuljungen. Hast du mich jetzt verstanden, Andrej? Oder brauchst du noch Erklärungen?«
»Ich habe verstanden.« Leontjew nickte. »Wissen Sie, Anwar Saïdowitsch, ich glaube, wir sollten beim Staatsanwalt einen Obduktionsbeschluß
erwirken.«
»Hast du nicht genug unaufgeklärte Fälle? Wo mischst du dich da ein? Und vor allem – wozu?«
»Das habe ich doch gesagt. Ich habe Grund zu der Annahme, daß Rakitin ermordet wurde. Ich denke, daß aufgrund neuer Umstände
ein Ermittlungsverfahren eingeleitetwerden muß. Und vor allem muß eine Obduktion durchgeführt werden.«
»Was denn für neue Umstände?« Saïdow runzelte die Stirn.
»Steht alles in meinem Bericht. Der Bericht liegt auf Ihrem Tisch.«
»Was wir beide hier aufführen, sieht aus wie ein schlechter Film.« Der Oberstleutnant zündete sich eine Zigarette an und lehnte
sich im Sessel zurück. »Der böse Chef steckt mit der Mafia unter einer Decke und hindert den Helden, seinen Untergebenen,
die Verbrecher zu entlarven. Aber das hier ist kein Film, Andrej. Ich bin kein Bösewicht, und wenn die Sache mit dem Schriftsteller
wirklich ein Auftragsmord war, dann bin ich ganz auf deiner Seite. Dann müssen wir den Mörder und den Auftraggeber suchen.
Wir müssen! Aber ich weiß, daß wir keinen von beiden finden werden. Und du weißt das auch. Allein die professionelle Inszenierung
spricht für sich. Wenn wir jetzt Wellen machen, dann werden vielleicht aufgrund neuer Umstände tatsächlich Ermittlungen eingeleitet,
worauf du ja
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