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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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wahrscheinlich nicht mal erfahren. Ich bin beinahe eine Pennerin. Drogensüchtig,
     Tellerwäscherin in einer Pelmenibude. Und du« – sie stieß einen Pfiff aus und warf einen vielsagenden Blick an die Fahrstuhldecke
     –, »du bist eine Frau Gouverneur …«
    Der Fahrstuhl hielt, die Tür ging auf. Davor stand Nikas Nachbarin aus der Wohnung gegenüber, die Frau eines stellvertretenden
     Ministers, eine üppige sechzigjährige Dame. Offensichtlich hatte sie Sinas letzte Worte im Fahrstuhl gehört. Sie starrte Nika
     und Sina ein paar Sekunden lang an und rührte sich nicht von der Stelle, so daß die beiden nicht aussteigen konnten.
    »Guten Morgen, Veronika Sergejewna, ich gratuliere Ihnenund Grigori Petrowitsch. Sie sind also in Moskau? So schnell? Ach ja, Grigori Petrowitsch hat ja ein eigenes Flugzeug. Gut,
     daß Sie da sind, wissen Sie, morgen findet eine Versammlung des Hauskomitees statt, es geht um die Sanitäranlagen. Sie sind
     doch hoffentlich nicht krank, Veronika Sergejewna? Sie sehen schlecht aus.« Gierig musterten die kleinen Äuglein Nika, den
     Bademantel, die Pantoffeln, das über die Schultern fallende, ungekämmte Haar. Dann blitzten sie Sina an, saugten sich an deren
     ramponierten Turnschuhen fest.
    »Gestatten Sie«, sagte Sina ruppig. Die Nachbarin besann sich, trat einen Schritt zurück und schüttelte ihr wie ein Sahnebaiser
     auftoupiertes, wasserstoffgebleichtes Haar.
    »Veronika Sergejewna, ist mit Ihnen alles in Ordnung? Ich habe Sie gegrüßt, und Sie haben mir nicht geantwortet.«
    »Vorsicht, die Türen schließen!« flötete Sina mit Automatenstimme.
    »Was?« Die Nachbarin wurde puterrot.
    »Meine Dame, Sie hören doch, die Türen schließen. Beeilung, keine Maulaffen feilhalten! Das ist der letzte Lift für heute.
     In welche Etage wollen Sie?«
    »In die erste«, hauchte die Nachbarin verwirrt und stieg in den Fahrstuhl.
    »Gute Fahrt!« Sinas Hand glitt zwischen die sich schließende Tür und drückte auf die Eins.
    »Also, du bist wirklich rotzfrech, Sina«, Nika lachte unter Tränen. »Noch genauso rotzfrech wie in der ersten Klasse.«
    In der Wohnung stellte Sina die Einkaufstüten auf den Küchentisch und packte aus: eine Pappschachtel mit französischem Camembert,
     abgepackten zartrosa Räucherlachsund bernsteingelben Stör, eine Packung Orangensaft, Brötchen, Butter, ein Päckchen Tchibo, eine Tüte Zucker.
    »He, erstarrst du schon wieder zur Salzsäule, Frau Gouverneur? Hol wenigstens Teller aus dem Schrank. Sag mal, erzählst du
     mir jetzt endlich, was damals zwischen dir und Nikita passiert ist? Ihr konntet doch nicht leben ohne einander.«
    »Eigentlich nichts weiter.« Nika verzog das Gesicht. »Es hat sich eben so ergeben.«
    »Unsinn.« Sina schüttelte den Kopf. »Angefangen hat es damit, daß Manuskripte deines Vaters verschwunden waren. Dann hast
     du entdeckt, daß in Nikitas Gedichten immer wieder Zeilen von Sergej Jelagin vorkamen. Unveröffentlichte.«
    Nika zuckte zusammen. »Woher weißt du das?«
    »Und dann«, fuhr Sina fort und öffnete die Camembertschachtel, »dann hast du Nikita maschinengeschriebene Seiten gezeigt,
     auf denen neue Verse von ihm vermischt waren mit geklauten Zeilen aus den Entwürfen deines Vaters, und er wurde sehr nervös,
     zog sämtliche Schreibtischschubladen raus und kippte dir den Inhalt vor die Füße, und darunter fand sich ein dickes grünes
     Heft. Das aus deiner Wohnung verschwunden war und nach dem du lange vergebens gesucht hattest.«
    »Bitte hör auf.« Nika ließ sich schwer auf einen Hocker fallen. »Hör auf, du tust mir weh.«
    Sina beschrieb ausführlich, in allen Einzelheiten den entscheidenden Streit, an den sich Nika um keinen Preis erinnern wollte.
    »›Das hättest du wirklich besser verstecken können!‹ hast du zu Nikita gesagt und bist türenknallend gegangen«, erzählte Sina
     weiter, als hätte sie Nika nicht gehört, und versuchte, den weichen Camembert zu schneiden. »Vielleichtsollten wir ihn lieber mit dem Löffel essen? Läßt sich überhaupt nicht schneiden, der blöde Käse, man schmiert bloß das ganze
     Messer ein. Also – in Wirklichkeit hat Nikita diese Gedichte gar nicht geschrieben. Er war selber baß erstaunt, wie das grüne
     Heft in seinen Schreibtisch gekommen war. Weißt du, wie die Sache wirklich war?«
    »Das ist lange her«, sagte Nika kaum hörbar, »und jetzt spielt es keine Rolle mehr, wie es wirklich war.«
    »Erzähl mir bloß nicht, das ist dir egal. Also, hör

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