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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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zu starken Wassereinlagerungen im Gewebe, aber die Ärztin sagte nur: ›Alles in Ordnung, meine
     Liebe. Sie nehmen nur ein bißchen zu.‹ Dabei gingen bereits die Nebennieren zum Teufel. Ich habe sie obduziert, und weißt
     du, das war schlimmer als das zerstückelte Opfer eines Irren. Viel schlimmer, glaub mir. Wenn ich sehe, wie ein junger, gesunder
     Organismus von innen zerstört wurde, und zwar nicht durch Gift, nicht durch Schwefelsäure, sondern durch harmlos aussehende
     Tabletten, die man in jeder Apotheke rezeptfrei kaufen kann. Ohne diese Idiotin in der Kreispoliklinik hätte sie noch fünfzig
     Jahre leben können.«
    »Na schön, und was schlägst du vor?«
    »Ich weiß es nicht. Ich erzähle es dir nur. Mir tut die Frau leid. Sie war jung und schön. Ein Dummchen natürlich und zum
     Teil selbst schuld. Sie hätte doch wissen müssen … Obwohl, nein, hätte sie natürlich nicht. Ich alter Trottel kann mir einfach
     das Mitleid nicht abgewöhnen. Es geht mir an die Nieren. Aber damit hab ich noch niemanden aus dem Jenseits zurückgeholt.«
    »Du hättest eben doch praktischer Arzt werden sollen, Petja. Dann könntest du wenigstens hin und wieder jemanden aus dem Jenseits
     zurückholen.«
    »Schon gut, Nika, hör nicht hin, was ich rede. Ich fühl mich einfach elend. In meinem Bericht hab ich nämlich alles wie immer
     ganz vage formuliert, um die Kollegin nicht in die Pfanne zu hauen. Aber wie viele Leben wird sie noch zerstören? Ihr geht
     das Ganze am Arsch vorbei, sie ahnt nicht mal, was sie angerichtet hat. Und ich fühle mich total scheiße. Weißt du, wenn diese
     Geschichte nicht gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht nie entschließen können, dir etwas über deinen Nikita zu erzählen.«
    »Du hast mir noch gar nichts erzählt«, erinnerte ihn Nika.
    »Wir haben doch ausgemacht, nicht hier. Nur eins kann ich dir schon hier und jetzt sagen: Er wurde ermordet. Das war kein
     Unfall, das war ein Auftragsmord, professionell inszeniert und ausgeführt.«
    »Moment mal – also gab es doch eine Obduktion?« fragte Nika kaum hörbar und trank gierig einen Schluck Mineralwasser.
    »Nein«, Petja schüttelte den Kopf, »und es wird auch keine mehr geben.«
    »Aber woher weißt du dann …?«
    »Ich habe doch gesagt – nachher. Nicht hier.« Petja verstummte. Der Bodyguard Kostik steuerte auf ihren Tisch zu, ein Mobiltelefon
     in der Hand.
    »Verzeihen Sie, Veronika Sergejewna, Sie haben das Telefon im Auto gelassen, und eben kam ein Anruf von Grigori Petrowitsch,
     er möchte Sie dringend sprechen.«
    »Nika, mein Sonnenschein«, vernahm sie die ein wenig erregte Stimme ihres Mannes, »entschuldige, daß ich dich störe. Mitja
     hat angerufen.«
    »Ist etwas passiert?« fragte Nika erschrocken. Der Sohn verwöhnte sie relativ selten mit Anrufen aus der Schweiz.
    »Nein, alles in Ordnung. Er hat bloß Sehnsucht. Bald fangen ja seine Prüfungen an. Da hab ich mir gedacht: Vielleicht solltest
     du hinfahren? Du könntest in einem ruhigen Hotel in der Nähe der Schule wohnen, dich ein bißchen erholen und deinen Sohn sehen.«
    »Gut, Grischa. Ich denke drüber nach. Danke, daß du angerufen hast.«
    »Grüß Petja Lukjanow von mir. Sag ihm, ich erinnere mich noch gut an ihn.«
    »Ja, mach ich. Küßchen.«
    Sie klappte das Handy zu und gab es dem Bodyguard.
    »Behalten Sie es lieber, Veronika Sergejewna. Sie werdenja noch eine Weile hier sitzen.« Er warf einen Blick auf die unangerührten Speisen. »Wer weiß, wer noch anruft.«
    »Gut, Kostja.« Nika nickte und steckte das Telefon in ihre Handtasche. »Danke.«
    Bis der Bodyguard das Restaurant verlassen hatte, schwiegen sie, Petja versuchte konzentriert, mit der Gabel eine Garnele
     zu zerteilen.
    »Einen schönen Gruß von meinem Mann«, sagte Nika und steckte sich eine Zigarette an.
    »Ach ja? Wann hast du ihm denn von unserem Treffen erzählt?«
    »Ich habe auf dem Weg hierher mit ihm telefoniert.«
    »Ehrlich gesagt, dein Grischa war mir nie sympathisch«, sagte Petja nachdenklich und schob sich eine Garnelenhälfte in den
     Mund.
    »Du hast ihn doch höchstens zweimal gesehen. Auf unserer Hochzeit und dann noch mal, als er mit war auf unserem Absolvententreffen,
     vor fünf Jahren. Übrigens soll ich dir ausrichten, daß er sich sehr gut an dich erinnert.«
    Über Lukjanows Gesicht huschte ein Schatten. Sein Blick erstarrte für einen Moment. Wieder schien er sich mit seinen getönten
     Brillengläsern von der Außenwelt

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