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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Unfall. Das ist zwar teurer und komplizierter, aber dafür sicherer.«
    »Du meinst, das war bei Nikita der Fall?«
    »Ich könnte ja glauben, daß der Schriftsteller Godunow durch fahrlässigen Umgang mit einer defekten Elektroleitung umgekommen
     oder bei einem Brand erstickt ist – wäre der Leichnam nicht ausgerechnet in dieses Leichenschauhaus gebracht und dann noch
     aus Versehen eingeäschert worden. Du glaubst mir nicht?!« Petja blieb abrupt stehen, nahm die Brille ab und starrte Nika aus
     hellgrauen Augen verwirrt an.
    »Doch, doch, ich glaube dir jedes Wort«, beruhigte sie ihn.
    Plötzlich überkam sie eine zähe, bedrückende Gleichgültigkeit. Sie stellte sich die geschäftigen Männer im Leichenschauhaus
     vor, die von einem ebenso geschäftigen Mann Geld bekommen hatten, damit sie den entstellten, verkohlten Körper von Nikita
     Rakitin – alles, was von ihrer ersten und im Grunde einzigen Liebe übriggeblieben war – beseitigten. Angenommen, sie konnte
     ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben die Verantwortlichen entlarven, etwas beweisen. Was würde das ändern?
    »Ich verstehe dich«, sagte Petja leise. »Du denkst jetzt,daß du ihn sowieso nicht zurückholen kannst. Ich bin schon still. Du führst ein sicheres, geordnetes Leben: Ein Mann, ein
     Sohn, viel Geld, eine fürsorgliche Leibwache. Du solltest nicht Privatdetektiv spielen. Wenn du deine Nase da reinsteckst,
     rettet dich auch keine Leibwache.«

Achtzehntes Kapitel
    »Wie – eingeäschert?!« Rakitin blickte in das runde, liebenswürdige Gesicht der Frau im Leichenschauhaus und spürte, daß er
     jeden Moment mit den Fäusten auf diese lockenköpfige lächelnde Zicke losgehen würde.
    »Nicht doch, Juri, reg dich nicht so auf.« Olga Rakitina legte ihre eiskalten Finger auf die Hand ihres Mannes.
    »Ein Platz in der Kühlkammer hat seinen festen Preis. Kommt ein Verstorbener von einem Bestattungsinstitut, überweist das
     den Betrag an uns. Kommt er von der Miliz oder mit dem Unfallwagen, behalten wir ihn nur auf besondere Anordnung des Staatsanwalts.
     Liegt keine vor, setzen wir uns mit den Angehörigen in Verbindung und besprechen mit ihnen Bedingungen und Dauer der Aufbewahrung
     des Leichnams. Soweit mir bekannt ist, waren Sie im Ausland. Außer Ihnen hatte der Verstorbene keine nahen Angehörigen. Ich
     wiederhole noch einmal, ich spreche Ihnen meine Entschuldigung aus. Die Urne bekommen Sie im Nikolo-Archangelski-Krematorium.«
    »Aber das kann nicht sein! Sehen Sie noch einmal in Ihren Papieren nach, Sie irren sich bestimmt! So etwas gibt es in keinem
     Land der Welt, das ist doch Barbarei, jemanden ohne Einwilligung der Angehörigen einzuäschern.«
    »In den Papieren steht es schwarz auf weiß. Das habe ichbereits mehrmals überprüft. Die Verwaltung spricht Ihnen eine offizielle Entschuldigung aus.«
    »Was zum Teufel soll ich mit Ihrer Entschuldigung? Wie konnte das passieren? Wie? Wo ist Ihr Vorgesetzter?!«
    Rakitin schrie nicht. Seit drei Tagen streikten seine Stimmbänder. Er brachte nur ein heiseres Flüstern heraus.
     
    Als er in Washington den Anruf aus Moskau bekam, sein einziger Sohn Nikita sei tot, bei einem Brand umgekommen, glaubte er
     es zuerst nicht.
    »Das kann nicht sein«, sagte er kalt und ruhig.
    »Juri Petrowitsch, ich habe es selbst gesehen«, sagte die weinende Galina, Nikitas Exfrau.
    »Was hast du gesehen? Du hast doch selbst gesagt, da war nur noch eine verkohlte Kruste, kein Gesicht mehr. Und warum war
     er in einer fremden Wohnung?«
    »Er hat bei Sina Resnikowa gewohnt. Erinnern Sie sich noch an sie? Ich weiß nicht, warum, aber er hatte sie gebeten, bei ihr
     wohnen zu dürfen. Als ich das Kreuz sah, da wußte ich – es ist Nikita. Und seine Papiere lagen auch da …«
    »Wir kommen morgen, ich werde das klären. Ich bin sicher, das ist ein idiotisches Mißverständnis.«
    Trotz dieser Überzeugung verspürte Rakitin ein heftiges Stechen im Herzen, sobald er den Hörer aufgelegt hatte. Er legte sich
     eine Nitroglycerin unter die Zunge und schloß die Augen. Er durfte diesen Horror nicht in sich hineinlassen. Noch war nichts
     bekannt. Erstens müßte dann jemand von einer offiziellen Instanz anrufen, von der Staatsanwaltschaft oder vom Innenministerium.
     Zweitens sollte sich Nikita übermorgen melden und Bescheid sagen, für wann er die Tickets gebucht hatte – das hatten sie vor
     zwei Wochen besprochen.
    »Jura, was ist los? Warum schläfst du nicht? Warum sitzt du im Dunkeln?«
    Seine

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