Fuer Wunder ist es nie zu spaet
hektisch herumzupft. Ihre Hände riechen nach Alex, aber
außer ihr bemerkt ihn niemand, den ganz schwachen Geruch von Alex.
»Das hier sind unsere Freunde!«
Maja zeigt auf die Neuankömmlinge.
»Und das sind meine Schwimmschüler!«
Maja dreht sich zu Alex und Karin um, die in Badebekleidung am
Beckenrand stehen.
»Die Perücke mit dem ganzen Obst drauf ist meine!«
Fatima stürzt sich auf eine rosafarbene Kreation mit üppigen
Weintrauben, Ananas, Kirschen und Erdbeeren aus verblichenem Stoff.
»Uh, igitt, die stinkt! Aber du musst ein neues Versteck aufgetan
haben, so viele waren es letztes Jahr doch nicht.«
Fatima rümpft die Nase und niest, während sie die riesige Perücke
auf ihren Kopf zieht.
Ihre Begeisterung wirkt ansteckend auf die anderen in der
Bibliothek. Das lange Sofa, die durchgesessenen Sessel mit dem verschlissenen
Eichblattbezug und weiter hinten das von Bücherregalen und Gemälden umgebene
Lesesofa – alle sind sie mit Kleidungsstücken behängt. Raschelnde Seidenstoffe,
weiß gekräuselte Spitzen, gestärktes Leinen, strenge Korsetts und Anzüge,
Goldknöpfe und Krawatten.
Pugh mag nicht so recht in die muffig riechenden Kleider steigen und
beschränkt sich auf eine Perücke mit einem langen geflochtenen Zopf und dazu
ein Monokel. Natürlich findet Channa einen alten Frack, einen Zylinder und ein
Paar blank polierte Lackstiefel, die sie anzieht, ehe sie sich mit ihrem
Kajalstift einen eleganten Chaplin-Bart auf die Oberlippe malt. Sie lacht ihr
heiseres, lautes Lachen und hilft Pedro, das Korsett zuzuknöpfen, in das er
geschlüpft ist. Es ist weinrot mit schwarzer Spitze und hat Tausende von
kleinen Häkchen, die geschlossen werden müssen, um die schönsten Formen zu
erzwingen. In den Ausschnitt hat er zwei Schürzen gestopft, die eine üppige
Büste erzeugen. Mads grinst breit und versucht, Ordnung in die Schleifen eines
großen bestickten Hemdes zu bringen, zu dem ein weißer Anzug in schon
modernerem Stil gehört.
»Mehr Champagner, schöne Josefin!«, ruft Pelle mit dem Zigarillo im
Mund. Er macht sich nicht die Mühe, das gekrauste Hemd über der Brust
zuzubinden, und lässt sein lockiges, dichtes Haar frei herausschauen. Dazu
trägt er eine Hose, die im Zickzack über dem Gemächt zugeknöpft wird –
wahrscheinlich handelt es sich um eine lange Unterhose aus dem Jahr 1880. Auf
dem Kopf sitzt eine Nachtmütze in blauer Seide, und über den Schultern hängt ein
passender Morgenrock. Rasch kippt er den restlichen Champagner und wirft
Fatima, die einen Prinzessinnentraum in Rosa mit himmlischem Dekolleté entdeckt
hat, einen Handkuss zu. Ihr großer, weißer, sommersprossiger Busen hebt sich
wie ein aufgehender Hefeteig über den mit breiter Spitze besetzten
Seidenrändern.
»Das! Genau das musst du nehmen, Karin! Es kommt gar nichts anderes
infrage!«
Pelle zeigt mit dem Zigarillo auf Karin, die es bisher nur bis zu
den Unterkleidern geschafft hat. Ein schleierartiges, meergrünes Unterkleid,
weit und lang. Karin nimmt einen großen Schluck Champagner und zeigt auf Nadja:
»Mach jetzt bitte keine Bilder. Das hat doch nichts mit dem Schwimmkurs zu
tun.«
»Aber ihr seht alle so toll aus! Das wird in der Zeitung einfach
märchenhaft rauskommen. Stell dir das Cover vor! Pelle und du in diesen
Kreationen! Setz dich doch mal neben ihn.«
»Ja, Karin, komm her! Du siehst betörend aus, nimm Platz!«
Pelle sitzt in einem Meer aus Kleidern und Perücken auf dem langen
Sofa und klopft auf sein Knie. Was soll’s, ist doch egal. Es wird sowieso
keinen Artikel geben, Karin spürt es genau. Es wird keinen Artikel geben. Sie
kann doch nicht schreiben, dass sie sich nicht zu schwimmen traut, dass sie den
Mann ihrer Schwimmlehrerin anbaggert, aber einen Korb bekommt. Wie sie Wein
trinkt, um die innere Unruhe zu betäuben, nein, nie im Leben. Es wird keinen
Artikel geben, die Sonntagsbeilage kann ihr gestohlen bleiben. Auf dem Weg zum
Sofa nimmt Karin eine Flasche Champagner mit, dann setzt sie sich auf Pelles
Schoß, trinkt direkt aus der Flasche und hört, wie Nadja ruft: »Gut, sehr cool,
nimm noch einen Schluck, sieh Pelle an, ja, wirf ihm noch mal diesen Blick zu,
ihr seht großartig aus, toll, Pelle, leg die Hand dahin, nein, etwas höher,
genau so, wartet mal, könnt ihr die Lampe in die andere Richtung drehen, zünde
doch stattdessen die Kerzen in dem Leuchter da an, perfekt, das hier wird
richtig geil, jetzt haben wir es, danke!«
Karin steht auf, nimmt noch einen Schluck
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