Fuer Wunder ist es nie zu spaet
zweite
Nacht in ihren eigenen Betten, es gab ewig lange Abendessen, Liebe,
zerfleischenden Streit, Scheidungen und neue Lieben. Sommer, die kamen und
gingen und ihrer aller Leben veränderten. Sommer, die es so nicht mehr gibt.
Eine Zeit, die vergangen ist.
Herzliche Umarmungen. Nicht diese Rücken klopfenden Machoumarmungen,
sondern ausgiebige, bei denen man nicht zu früh loslässt. Pelle gibt Mads einen
kleinen Kuss auf den Mund und gratuliert ihm zu der neuen Frisur.
»Vielleicht ist es für dich auch an der Zeit, Pelle. Oder kämpfst du
unbeirrt weiter?«
»Äh, ich glaube, ich kämpfe noch weiter. Hier vorn hab ich ja immer
noch ein bisschen zu bieten.«
Ein dröhnendes Lachen, und Pelle fährt sich mit der Hand durch die
schon ein bisschen schütter gewordene Tolle auf dem Kopf.
Da ist Pedro, ein sehr viel jüngerer Freund von Channa. Vielleicht
ihr Liebhaber, vielleicht ein Praktikant oder ein Künstler oder ein Groupie,
vielleicht auch nur ein guter Freund. Er ist schmal, von bleicher Schönheit,
mit seinen roten Lippen erinnert er an einen Dandy aus dem England der
Nachkriegszeit, das glänzende dunkle Haar seitlich gescheitelt, Shorts mit
Bügelfalte, karierter Pullover und darunter ein kurzärmeliges weißes Hemd.
Weicher und feuchtkalter Handschlag, aber Pelle hat keine Lust auf kühles Händeschütteln,
sondern umarmt Pedro kräftig, auch wenn sie einander noch nie zuvor begegnet
sind.
Nun sitzt nur noch Fatima im Boot. Sie zieht die Schwimmweste aus
und legt sie ordentlich in die Steuerkabine. Ihr rotes Haar ist in einem Kranz
um den Kopf hochgesteckt und mit rosa Rosen geschmückt, und unter dem violetten
Kleid kann man ihre weiße, sommersprossige Haut erahnen. Ihr großer, fülliger
Körper ist kräftig und geschmeidig, und das breite Lächeln mit der Lücke
zwischen den Vorderzähnen ist sprühend und ansteckend wie immer.
Das ist Fatima, die Exfrau von Pugh. Die beiden sind seit über
zwanzig Jahren getrennt, sind aber immer noch die besten Freunde. Damals auf
Gotland, Ende der Achtzigerjahre, ging die Ehe den Bach runter. Pugh hatte was
mit einer jungen Theaterstudentin aus Visby am Laufen, während Fatima Windeln
wechselte, Apfelmus kochte und das große Haus am Meer putzte. Pugh flog raus,
denn es war nicht die erste Theaterstudentin, aber dass es garantiert die
letzte sein würde, zumindest während ihrer Ehe, dafür wollte Fatima sorgen.
Also musste Pugh in die Scheune ziehen, während Fatima und die Kinder weiterhin
im Haus wohnten. Und so ist es noch heute, Fatima im Haus, Pugh in der Scheune.
Dazwischen ein Abhang mit Wiese, Eichen, ein paar blökenden Schafen und einem
toten Traktor. Die Kinder sind in alle Welt verstreut, und es herrscht Ruhe und
eine seltsame Form der Harmonie.
Der Steg wird von Farben, Gelächter und Taschen überschüttet. Man
umarmt sich, gibt Küsschen, Gitarrenkästen und riesige getöpferte Schüsseln
werden unter den Arm geklemmt und davongeschleppt, und am Ende bleibt nur noch
Nadja von der Sonntagsbeilage der »Dagens Nyheter« auf dem Steg stehen und
fotografiert das ganze Gefolge, während die Freunde in der Nachmittagssonne
lachend zum Schloss hinaufziehen.
Maja sieht sie kommen. Ihr kommt es vor, als hätte man
eine Zeitmaschine in Gang gesetzt und 1976 eine Vollbremsung hingelegt. Meine
Güte, 1976, da war Maja noch nicht mal schulreif. Aber jetzt lächelt sie.
Umarmt einen nach dem anderen, Channa bekommt eine besonders herzliche Umarmung
wegen der Schüssel, und Mads hat sich die Haare geschnitten, wie cool, und Pugh
sieht braun gebrannt und gesund aus. Und da ist Fatima, lass dich mal drücken,
sie riecht nach weißem Moschus. Wie schön es hier ist! Ja, voriges Mal war es
Herbst und dunkel, und wer ist das? Aha, Pedro, schön, dich kennenzulernen, ein
Freund von Channa, herzlich willkommen.
Gerüche und Düfte, Schweiß und Rauch umwabern Channa, der weiße
Moschus umgibt Fatima, Pedro steht in einer Wolke von elegantem Rasierwasser,
Pugh riecht wie immer nach Leder und alten Jeans, und Mads hat sich mit seinem
aufdringlichen Patschuliöl eingerieben.
Nadja hält mit ihrer Kamera Abstand und sendet gar keine
Geruchssignale aus. Sie lächelt schüchtern mit ihrer riesigen schwarzen Brille,
den engen Acne-Jeans und einem T -Shirt, das so aussieht, als sei es
ein ganz gewöhnliches T -Shirt, aber wahrscheinlich an die
achthundert Kronen gekostet hat.
Maja riecht nach Chlor. Sie begrüßt die Gäste in Bikini und mit
nassem Haar, an dem sie
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