Fuer Wunder ist es nie zu spaet
dich
ohnehin nicht sonderlich schwierig ist. Es ist ja wohl kein Problem für dich,
einen alten Galeristenfreund anzurufen und zu sagen: Hallo, darf Maja mal
vorbeikommen und ihre Sachen bei dir ausstellen? Ciao, Bussi, echt cool. Aber
hast du schon mal was für mich aufgegeben? Wirklich etwas geopfert?«
Pelle reagiert schnell und verletzt. »Meine Frau und meine Kinder
vielleicht?«
»Ach so, darüber reden wir jetzt also! Eure Ehe war doch mausetot!
Deine Kinder waren fast erwachsen! Mein Gott, Mona hatte eine Woche später
einen neuen Mann, glaubst du allen Ernstes, den hat sie so schnell gefunden?
Oder hatte sie ihn vielleicht schon, ehe wir beide uns kennenlernten? Was?«
»Ja, ja. Aber ich habe durchaus Dinge für dich aufgegeben!«
»Sag, welche!«
»Ich habe . . . Meine Freunde . . .«
»Deine Freunde? Soll das ein Witz sein?«
»Na gut, das stimmt vielleicht nicht ganz . . . Was soll das, warum
muss ich denn unbedingt irgendwelche Opfer bringen? Was hast du denn
aufgegeben, wenn wir schon dabei sind?«
» Meine Freunde. Die sehe ich jetzt fast gar
nicht mehr. Sie wohnen nach wie vor in Stockholm und haben Kinder und Jobs, die
können nicht einfach auf eine verdammte Insel in Västergötland kommen so wie
deine alten erfolgreichen Künstlerfreunde. Und meine Arbeit, die habe ich auch
geopfert. Vor vier Jahren gehörte ich noch zum Dinokollektiv. Verdammt, was
waren wir gut. Wir haben richtig große Sachen gemacht. Aber die habe ich
aufgegeben, weil ich mit dir zusammen sein wollte.«
»Ihr habt doch gar nichts verkauft, Dino und du.«
Maja lacht kalt und zeigt mit einer wütend zitternden Hand auf
Pelle.
»Siehst du! Da ist es wieder! Geld! Ha, und du sagst zu mir:
›Arbeite einfach drauflos, fühl dich ganz frei!‹ Aber ich weiß es doch, du und
alle anderen auch, ihr denkt doch, wenn man kein Geld verdient, dann ist man
nichts. Ganz egal, wie gut die Sachen sind, die man macht. Und richtig, Dino
hat nichts verdient, aber wir waren auf einem guten Weg. Und jetzt verdienen
sie richtig gut und stellen jede Menge aus.«
Pelle hebt abwehrend die Hände. »Ja. Okay. Du hast diese Sache
geopfert und bist mit mir gegangen. Aber das hast du getan, weil du es wolltest . Für diese Entscheidung kannst du nicht mich
verantwortlich machen.«
Es ist eine Weile still. Maja saugt an ihrer Unterlippe und denkt
nach.
»Mein Selbstwertgefühl. Das habe ich auch geopfert. Oder verloren.«
»Und du meinst, das sei meine Schuld?«
»Nicht deine Schuld. Aber es hat mit dir zu tun. Mit uns. Würdest du
denn deine Arbeit für mich opfern? Und mit mir gehen?«
»Natürlich würde ich das.«
»Die Antwort kam jetzt aber ein bisschen schnell. Denk noch mal
nach. Und dann antworte richtig.«
»Maja, jetzt mach mal halblang. Was willst du denn hören? Was?
Verrat es mir, dann sage ich es.«
»Ach, Scheiße!«
Maja feuert das Besteck auf den Teller, dass die Senfsoße nur so
spritzt. Sie bekommt einen entwürdigenden Fleck auf der Wange, den sie mit dem
Pulloverärmel abwischt.
Wie immer trägt sie Pelles Klamotten. Schlurft in seinen großen,
zerschlissenen Jeans herum, seinen weiten, verwaschenen T -Shirts und einem
riesigen gestrickten Pullover. Aber die Unterhose gehört ihr. Sie denkt an die
Unterhose. Die gehört auf jeden Fall ihr. Und die Strümpfe! Sie sieht auf ihre
Füße hinunter. Nein, da sitzen Pelles große Wollsocken. Sie muss anfangen, ihre
eigenen Kleider zu tragen. Wütend reißt sie sich die Wollsocken runter und
schleudert sie mit solchem Schwung davon, dass sie über den glänzenden Fußboden
sausen.
Pelles sonst so breite Schultern sacken unter dem Maurerhemd wie
müde Tulpen zusammen. Ein tiefer Seufzer und ein leerer Blick, dann nimmt er
sein Etui mit den Zigarillos aus der Brusttasche, erhebt sich schwerfällig vom
Tisch, schiebt seine nackten Füße in die Pantoffeln und tritt an eines der
großen Fenster. Vorsichtig öffnet er den Haken, macht das Fenster weit auf und
lehnt sich hinaus. Denkt schweigend nach. Zündet den Zigarillo an, bläst den
Rauch hinaus und sieht zu dem Bären, der sich wegsehnt.
Schnell wird es kalt im Saal, vom Vänersee weht ein rauer Wind. Die
Flammen in den Kandelabern und im Kristalllüster flattern unruhig. Pelle
raucht. Maja atmet.
»Ich brauche einen Job. Das ist einfach so. Einen Job mit Gehalt«,
sagt Maja irgendwann.
»Verstehe.«
»Und ich muss das selbst auf die Reihe kriegen.«
»Okay.«
»Ich will erwachsen werden. Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher