Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fürchte dich nicht!

Fürchte dich nicht!

Titel: Fürchte dich nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
Vom Netzwerk:
unter Druck gesetzt wird. Also lass ihn einfach erzählen.
    »Da bin ich wieder.« Wagner probierte ein kleines Lächeln. »Wo war ich stehen geblieben?«
    »Beim Unterbauchbereich der Patientin.«
    »Ach ja. Eine Krankenschwester hat dort eine Zecke entdeckt. Sehr versteckt, die Patientin muss sie übersehen haben. Das hat uns auf die richtige Spur gebracht.«
    »Borreliose?«, fragte Geis.
    »Nein. Keine Hautrötung. Die Blutuntersuchung deutete auf eine virale Infektion hin. Und tatsächlich haben wir Antikörper vom Typ IgM …«
    »Himmel!« Geis vergaß seinen Vorsatz. »Können Sie das für Normalsterbliche übersetzen?«
    Wagner schluckte. »Kurz gesagt: FSME. Frühsommer-Meningoenzephalitis«, setzte er schnell hinzu. »Eine durch Zecken übertragene Hirnhautentzündung. Normalerweise kommt das in diesen Breiten nicht vor. Aber in seltenen Fällen … Die Symptome sprechen eindeutig für eine FSME: Nackensteife, starke Kopfschmerzen, Gleichgewichts- und Bewusstseinsstörungen.«
    »Und Sie sind sicher, dass das nichts mit den Schlägen zu tun hat, die Frau Berends abbekommen hat?«
    »Relativ sicher. Wir konnten noch nicht alles checken, weil wir erst das hohe Fieber unter Kontrolle bringen müssen. Und der letzte Nachweis …« Der Arzt stockte.
    »Ja?«
    »… ist ohnehin nur durch eine Autopsie zu führen.«
    »Kann ich mit ihr sprechen?«, fragte Geis.
    »Das wird nicht möglich sein. Die Patientin hat, wie gesagt, hohes Fieber, sie deliriert zeitweise.«
    »Nur fünf Minuten«, beharrte der Hauptkommissar.
    Wagner zog Mundwinkel und Augenbrauen hoch und produzierte eine tiefe Rille auf der Stirn. Es sah aus, als sei er gerade schockgefroren worden.
    »Bitte!«, sagte Geis mit Nachdruck.
    »Okay.« Die Gesichtsmuskeln erschlafften. »Fünf Minuten.«

     
    Er erkannte sie kaum wieder. Das blonde Haar hing strähnig herunter, die Augen lagen tief in den Höhlen und glänzten fiebrig, umgeben von roten Höfen in einem ansonsten vollkommen bleichen Gesicht. Geis trat neben das Bett. Ihre Augen verfolgten seine Bewegung, ausdruckslos. Er fühlte sich unbehaglich.
    »Frau Berends, wissen Sie, wer ich bin?«
    »Haben Sie ihn weggesperrt?« Die Stimme klang tief und atemlos, ganz anders als das gequetschte Zuckerstimmchen, mit dem Hannah Berends normalerweise sprach.
    »Ja, haben wir.« Geis zog einen Hocker heran und setzte sich.
    »Sie dürfen ihn nicht freilassen.« Sie griff nach seiner Hand. Ein fester, warmer, feuchter Griff. Geis unterdrückte den Impuls, die Hand wegzuziehen.
    »Er soll büßen für das, was er uns angetan hat. Marcel und mir.«
    »Das wird er.«
    »Er hat Marcel verprügelt. Mein Junge. Es war schlimm. Ich …« Der Rest des Satzes verebbte als unverständliches Wispern.
    Geis beugte sich vor. »Was ich von Ihnen erfahren möchte, Frau Berends: Wie hat der gestrige Streit begonnen?«
    Keine Reaktion. Sie schien mit offenen Augen eingeschlafen zu sein. Er vergeudete nur seine Zeit. Berends’ Anwalt würde die Aussage der Schwerkranken ohnehin in der Luft zerreißen.
    »Tut mir leid, Frau Berends.« Er tätschelte die Hand, mit der sie ihn festhielt. »Ich werde wiederkommen, sobald es Ihnen besser geht.«
    In ihre Augen kehrte wieder Leben zurück. »Er wird sich nicht ändern. Er wird sich nie ändern. Ich habe mir immer vorgemacht, es würde besser. Die einzige Sprache, die er versteht, ist Härte. Er muss es richtig abkriegen, verstehen Sie?« Plötzlich schnellte ihr Oberkörper hoch. Wie der einer Marionette, die von einem Bindfaden hochgerissen wird. Geis war verblüfft, wie viel Energie in der Frau steckte, ihr Blick brannte fast ein Loch in seine Stirn. »Versprechen Sie mir das?«
    »Ich bin nur Polizist, ich …«
    »Sie haben gesagt, ich soll ihn anzeigen. Ich will Ihr Wort.«

    »Sie müssen sich hinlegen.« Eine Krankenschwester stand im Zimmer. »Gehen Sie bitte!« Das war an Geis gerichtet. »Sie dürfen sie nicht aufregen.«
    Er hob die freie Hand zu einer Geste der Unschuld.
    »Verschwinden Sie!«, blaffte Hannah die Krankenschwester an. »Raus!«
    Das Zimmer füllte sich mit immer mehr Menschen. Mehrere Arme drückten Hannah auf das Kissen. Jemand rief nach einer Spritze. Hannah tobte.
    »Kommen Sie!« Dr. Wagner drängte sich neben Geis. »Lassen Sie uns unsere Arbeit machen.«
    Mit dem Einsatz seiner ganzen Kraft gelang es Geis, die umklammerte Hand zu befreien. »Eins noch.« Er wartete, bis sich Hannah beruhigt hatte und seinen Blick erwiderte. »Wer hat

Weitere Kostenlose Bücher