Fürchte dich nicht!
würde für ihn einen Gesichtsverlust bedeuten.
»Ich verstehe«, sagte Lange. »Sie sind in der Lage, hier und heute auszuschließen, dass FSME Typ Monti – netter Name übrigens – gentechnisch verändert und nach Norderney eingeschleust wurde?«
»Das kann ich selbstverständlich nicht. Ein Nachweis …«
»Können Sie nicht?«
»Nein.« Blechschmidt sackte ein Stück tiefer in seinen Sessel.
»Sehen Sie. Deshalb stellen wir solche Fragen. Deshalb sitzen wir überhaupt hier. Es ist unsere Aufgabe, alle Eventualitäten in Betracht zu ziehen, um Schaden von der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Wollen Sie daran mitwirken, Herr Professor Blechschmidt?«
»Ja, natürlich.«
»Gut. Dann schlage ich vor, dass wir wieder zur konstruktiven Diskussion zurückkehren. Und damit meine ich zwei Dinge. Erstens: Alle Vorgänge rund um das Virus, Forschung, Prophylaxe und so weiter, unterliegen der absoluten Geheimhaltung, solange der Verdacht besteht, dass eine terroristische Vereinigung dahinterstecken könnte. Wir wollen diese Menschen fassen und unschädlich machen. Berichte in den Medien würden sie warnen. Und zweitens: Wir müssen die Situation auf Norderney in den Griff bekommen. Der jetzige Polizeichef scheint mir überfordert zu sein. Wir brauchen mehr und kompetentere Leute, die sich das Umfeld der drei Erkrankten genau anschauen. Gab es Kontakte zu Personen, die radikalen Gruppen angehören? War das, was sich bislang abgespielt hat, ein Testlauf, sozusagen die Generalprobe für eine größere Aktion vor und während des Gipfels?«
Der Glatzkopf, der nach Stegebachs Erinnerung beim niedersächsischen Landeskriminalamt arbeitete, hob seine Hand.
»Herr Oppolt?«
»Wir haben bereits gemeinsam mit dem niedersächsischen Innenministerium einen Einsatzplan entwickelt. Kriminalrat Goronek kann jederzeit mit einer fünfzehn- bis zwanzigköpfigen Soko nach Norderney gehen und die Dinge dort in die Hand nehmen.«
»Sehr gut«, nickte Lange. »Ich muss ja nicht betonen, dass die Ermittlungen mit äußerster Diskretion zu führen sind. Die Bevölkerung darf nicht beunruhigt werden.«
»Selbstverständlich«, bestätigte Oppolt. »Die Kriminalbeamten erfahren nur das Nötigste.«
»Dann ist die Sitzung hiermit beendet«, verkündete Lange.
Stegebach sprang auf. Die ganze Zeit hatte er befürchtet, dass man ihn auf Viola de Monti ansprechen würde. Jetzt war er erleichtert. Und das schlug ihm auf die Blase. Er musste pinkeln, und zwar dringend.
»Herr Stegebach!«
Der Sprecher des Gesundheitsministeriums presste instinktiv die Beine zusammen.
Lange kam auf ihn zu. »Wie geht es Ihrer Freundin, Frau Dr. de Monti?«
»Gut, glaube ich.«
»Sie haben keinen Kontakt zu ihr?«
»In den letzten Tagen nicht, nein.«
»Sie sollten sie im Auge behalten.« Lange trat so dicht an Stegebach heran, dass der die Schuppen auf dem Jackett des Abteilungsleiters zählen konnte. »In unserem gemeinsamen Interesse. Verstehen Sie?«
»Das ist doch verrückt, reine Paranoia«, regte sich Professor Blechschmidt auf. »Ein terroristischer Anschlag mit Zecken. Wie kann man so etwas Absurdes auch nur in Erwägung ziehen?«
»Ich habe Sie gewarnt.« Heiner Stegebach schaute sich vorsichtig um. Er stand mit dem Professor auf dem Uferweg, der zwischen Innenministerium und Spree entlangführte. Vor ihnen floss das graue Wasser der Spree, hinter ihnen erhob sich das in Schlangenform erbaute Ministerium, ein kaltes Monstrum aus Beton und Glas, das im unscheinbaren Stadtteil Moabit versteckt worden war.
»Viola kann froh sein, dass sie da nicht mitmachen muss«, sagte Blechschmidt.
»Das wird sie anders sehen.«
»Ja.« Der Professor rieb sein massiges Kinn. »Es tut mir leid, dass ich sie beurlauben musste. Ich hätte sie gerne dabeigehabt. Sagen Sie ihr das, wenn Sie sie treffen.«
Falls ich sie treffe, dachte Stegebach.
19
Norderney, Polizeistation
Britta Hartweg war hochgradig erregt. »Goronek hat Dr. Habibi festnehmen lassen.«
Martin Geis schob die Dienstpläne, an denen er arbeitete, zur Seite. »Er hat was?«
»Vor einer halben Stunde. Habibis Frau hat gerade bei uns angerufen. Sie ist vollkommen außer sich.«
Geis stand auf. Seitdem Kriminalrat Goronek mit seinen Leuten auf Norderney das Kommando übernommen hatte, teilte sich Geis mit seiner Stellvertreterin ein Büro. Genau genommen war es das einzige Büro, über das die Stammbesetzung der Polizeiwache noch verfügte. Alle übrigen Räume hatte sich die
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