Fürchte dich nicht!
Goronek.«
»Name?«
»Geis. Hauptkommissar Geis.«
Die Sekretärin behielt ihn im Auge, während sie den Telefonhörer abnahm und mit jemandem redete. »Zweite Tür links.«
Goronek stand mit Bischoff und Schöning vor einer Reihe von Stellwänden und Flipcharts. Geis erkannte Fotos von Hannah Berends, Lars Rasmussen und Saskia Fischer. Daneben hingen Soziogramme der FSME-Erkrankten. In allen drei Beziehungsgeflechten war der Name von Dr. Habibi unterstrichen.
»Martin!« Goronek steckte seine rechte Hand betont lässig in die Hosentasche. »Was treibt dich her?«
»Ihr habt Dr. Habibi festgenommen?«
»Wir führen Gespräche mit ihm, das ist richtig.«
»Wieso?«
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht.«
»Dr. Habibi ist Stammgast auf Norderney, ich kenne ihn seit Langem. Wenn ihm eine Straftat vorgeworfen wird, geht mich das etwas an.«
Goronek schaute seine Untergebenen an, zuerst Schöning und dann Bischoff. Schöning war eine Speichelleckerin, Geis hatte sie noch nie leiden können. Mit Bischoff kam er einigermaßen klar, der Mann verhielt sich so korrekt, dass selbst die übelsten Kriminellen ihn in ihr Herz schlossen. Beide hoben die Schultern zur Andeutung eines Zuckens. Warum sollten sie eine Meinung haben, bevor sich der Chef geäußert hatte.
»Na schön«, sagte Goronek mit einem fiesen Lächeln. »Weil du es bist, Martin. Lass uns einen kleinen Spaziergang machen. Wann habe ich schon mal die Gelegenheit, bei der Arbeit Nordseeluft zu schnuppern?«
»Und wir?«, fragte Schöning.
»Ihr habt Pause.« Der Kriminalrat grinste erneut. »Falls ich nicht zurückkomme, liege ich irgendwo in den Dünen. Hauptkommissar Geis wird manchmal handgreiflich.«
Arschloch, dachte Geis. Gottverdammtes Arschloch.
Goronek summte leise vor sich hin, als sie die Strandpromenade erreichten. »Ich würde mir gern mal den Ostteil der Insel angucken, das Wrack und die Vögel. Oder eine Wattwanderung machen. Ich habe von diesen seltsamen Tieren gelesen, die es da gibt: Kotpillenwurm, Sandklaffmuschel, Seeringelwurm.«
»Habibi«, sagte Geis.
»Du weißt doch, wie das läuft: In Berlin hecken sie eine Theorie aus und dann beauftragen sie uns Fußsoldaten, Fleisch an das Gerippe zu werfen. Wobei ich nicht behaupte, die ganze Theorie zu überblicken, vermutlich hat man mir nur die Hälfte erzählt. Kurz gesagt, ich soll herausfinden, ob jemand die FSME nach Norderney eingeschleppt hat, um den Gipfel zu stören oder platzen zu lassen. Dr. Habibi ist Mediziner und kennt sich mit Krankheiten aus. Außerdem ist er Muslim und gebürtiger Palästinenser.«
»Na und?«
»In Großbritannien haben muslimische Krankenhausärzte Anschläge auf Flughäfen geplant. Habibi könnte einer islamischen Terrororganisation angehören.«
»Das ist lächerlich. Habibi lebt seit vielen Jahren in Deutschland, seine Frau ist Deutsche.«
»Die Ärzte in Großbritannien lebten dort auch seit vielen Jahren. Und die Attentäter vom elften September waren vorher brave Studenten in Hamburg. Das ist ja das Perfide an diesen El-Kaida-Typen, dass sie sich perfekt tarnen.«
Geis schüttelte den Kopf.
»Du siehst das aus deiner beschränkten Inselperspektive«, fuhr der Kriminalrat fort. »Aber mal objektiv betrachtet: Habibi war immer in der Nähe. Er saß im Restaurant von Hannah Berends, er stand unter dem Leuchtturm, als der Junge sprang, und wir haben herausgefunden, dass Saskia Fischer Habibi aufgesucht hat, bevor sie dich …« Goronek gluckste. »Scheiße, das muss zum Brüllen ausgesehen haben, wie du vor ihr die Hosen runtergelassen hast.«
»Wenn man dabei eine Pistole im Mund hat, ist das weniger komisch.«
»Glaube ich.« Goronek wischte sich eine Lachträne aus dem Auge. »Du bist raus aus dem Spiel, Martin. Das ist was für die großen Jungs.«
»Mehr habt ihr nicht?«, schnappte Geis. »Habibi war in der Nähe – das ist alles? Keine Zecken im Koffer? Keine verdächtigen Schriften? E-Mail-Kontakte? Telefonanrufe? Willst du mir diesen Mist als ernsthaften Verdacht verkaufen?«
Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete der groß gewachsene Kriminalrat das Meer. »Ich sage es ungern zweimal, Martin: Wir sind die Spezialisten, wir erledigen das. Du warst mal ein guter Mann, einer meiner besten. Aber das ist lange her. Schau dich doch an, wie du aussiehst: ein fett gewordener Inselsheriff, der seine eigenen Leute nicht im Griff hat. Du bringst es nicht mehr. Ich scheiße auf deine Meinung, Martin.«
Goronek hatte es
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