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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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Neigung zur Gewalttätigkeit gehabt hätte, hätte es wahrscheinlich noch Jahre gedauert, bis ich begriffen hätte, welche Fähigkeiten ich habe. Und das wäre doch furchtbar schade gewesen, findest du nicht? Hier, schau mal.«
    Brodie bückte sich, griff in seinen Stiefel und zog etwas daraus hervor. Ein schmales Messer mit Perlmuttgriff und einer etwa zehn Zentimeter langen Klinge.
    Ich hatte es schon einmal gesehen, als er damit im Park, während im Freiluftkino Begegnung gezeigt wurde, einen Apfel für ein kleines Mädchen in Schnitze geschnitten hatte.
    »Es ist eine Sonderanfertigung«, erklärte er und zog es vor meinen Augen ein paarmal durch die Luft. »Für meine Freundin. Sie war ein niedliches kleines Ding, zuckersüß und unschuldig wie ein neu geborenes Fohlen. Ich hab sie gern damit geritzt. Hab gern zugesehen, wie sie weinte.«
    Er schob das Messer in den Stiefelschaft zurück.
    »Ich will verdammt sein, wenn wir uns nicht eben erst begegnet sind, und trotzdem plaudere ich mit dir, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. Muss daran liegen, dass du ein bisschen aussiehst wie sie. Wie meine kleine Sophie. Blonde Haare, helle Haut und vor Angst weit aufgerissene blaue Augen. Hmmm … Ich würde gern irgendwann mal an dir herumritzen. Zuschauen, wie du weinst. Ich glaub, das würde dir gefallen. Jedenfalls weiß ich, dass es mir gefallen würde.«
    Er stutzte kurz und ließ die Finger seiner rechten Hand über die Spitzen seiner roten kinnlangen Haare gleiten, als würde er Klavier spielen. »Wo war ich stehen geblieben? Ach ja. Ich wohne in Texas. Jedenfalls hab ich da bis vor Kurzem gewohnt. Ich bin nämlich – um genau zu sein – nur der Halbbruder von River und Neely. Wir haben unterschiedliche Mütter. Pa konnte nie viel mit mir anfangen. Er hat Unterhalt gezahlt und ist ab und zu bei uns in Abilene aufgetaucht, wenn er sich um irgendwelche Ölgeschäfte der Reddings in der Stadt kümmern musste. Bei der Gelegenheit hat er sich dann auch immer gern ein bisschen mit seinem texanischen Kätzchen amüsiert. Jedenfalls bis Ma dann endgültig übergeschnappt ist. Jetzt rottet sie in irgendeinem Irrenhaus vor sich hin und ich hab sie seitdem nicht mehr gesehen.« Brodie stand ganz still, schnippte nicht mit den Fingern, und nicht einmal seine Stiefelspitzen knirschten im Kies. Das Einzige, was sich bewegte, waren seine feuerroten Haare, die von der Meeresbrise gezaust wurden. »Für sie war ich immer nur ›der Bastard‹, wusstest du das?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Brodies Blick wanderte in die Ferne. »Tja, jetzt hockt sie bei den sabbernden Irren fest und das geschieht ihr recht so. Aber eigentlich ging es ja um was ganz anderes. Als Pa das letzte Mal bei uns war, wollte er sich unbedingt mit mir hinsetzen und reden. Er war echt merkwürdig. Normalerweise ist er kalt wie das Eis in der Hölle, aber als er dann plötzlich angefangen hat, vom Funkeln zu faseln, und wissen wollte, ob ich andere Leute mit meinen Gedanken dazu bringen könnte, Dinge zu sehen oder zu tun … na ja … da hab ich gut aufgepasst und eins und eins zusammengezählt.«
    Ich sah mich gehetzt um. Wo steckten die anderen nur? Wo waren River oder Neely oder Luke? Irgendjemand musste doch noch hier sein . Oder … hatte Brodie sie womöglich … Oh Gott …
    »Hey, Violet! Hör mir gefälligst zu, wenn ich mit dir rede«, fuhr er mich an. »Ich kann’s nicht leiden, wenn man mir nicht zuhört. Schau mich an. Du sollst mich anschauen. «
    Als ich ihm gehorchte, sah ich, dass in seinen zusammengekniffenen grünen Augen der blanke Wahnsinn glitzerte. Ich hatte das Gefühl, selbst wahnsinnig zu werden, wenn ich noch länger in diese Augen schaute, aber ich ballte die Hände zu Fäusten und wandte den Blick nicht ab.
    »Ah, so ist es schon besser. Braves Mädchen.« Seine Stimme klang jetzt wieder träge und schleppend. »Als ich dann vor ein paar Monaten mit meinem kleinen Messer an Sophie herumgespielt hab, hab ich versucht, sie mit meinen Gedanken dazu zu bringen, was zu tun. Nachdem Pa und ich unsere Unterhaltung hatten, hab ich’s immer wieder versucht, aber es hat sich nie was getan. Diesmal hat es dann funktioniert. War ganz leicht. So viel dazu, dass du dich aufsparen wolltest, süße kleine Sophie. Ich hab dir die Unschuld genommen, und du warst glücklich darüber, oh ja, das warst du.«
    Er leckte sich über die Oberlippe.
    »Sunshine«, flüsterte ich. »Was hast du mit Sunshine gemacht?«
    Er zuckte mit den Achseln

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