Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer
zu retten . Aber wir beide wissen ja mittlerweile, dass das freche Balg zur der Zeit schon längst blutüberströmt im Graben lag, kalt und tot wie der Schoß einer alten Jungfer.«
Brodie begann leise zu pfeifen.
Er war die ganze Zeit hier gewesen. Praktisch direkt vor unserer Nase hatte er uns ausspioniert und seine teuflischen Pläne ausgeheckt.
In meiner Kehle brannte es, als hätte ich Rauch eingeatmet, und in meinem Kopf war nichts als ein lautes Dröhnen, das mir das Denken unmöglich machte.
Er würde mich töten. Er würde uns alle töten. Jeden Einzelnen von uns.
»Warum?«, fragte ich. » Warum? «
Brodie antwortete nicht, sondern pfiff weiter die Melodie irgendeines traurig klingenden Countrysongs. »Was meinst du?«, sagte er schließlich »Sollen wir mal nachschauen gehen, was meine Brüder so treiben?« Er schnalzte missbilligend mit der Zunge, als ich den Kopf schüttelte. »Komm schon, sei ein braves Mädchen …«
Ich wirbelte herum und rannte los. Ich wollte nach Echo hinunterlaufen und Hilfe holen … Lauf, Violet, lauf …
Ein scharfer Schmerz flammte über meine Schädeldecke, als Brodie mich an den Haaren zurückriss.
» Benimm dich.« Brodies grüne Augen bohrten sich in meine, als wollten sie sich einen Weg bis zu meiner Seele graben. »Ich habe einen Plan, und du wirst darin eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielen, ob du willst oder nicht. Also erspar dir und mir weiteren Ärger, und tu gefälligst, was ich dir sage.«
Aus dem kleinen Wäldchen drang ein Schrei. Jack tauchte zwischen den Bäumen auf und rief gellend: » Lass sie los! Lass sie los! « Er stürmte direkt auf uns zu …
Ich sah Silber aufblitzen.
Und dann stürzte Jack zu Boden.
Blaue Augen, die sich zitternd schlossen, und eine Blutspur, die sich über die Sommersprossen auf seiner Wange zog.
Brodie kniete sich neben Jack, der bewegungslos im Kies lag. Er fasste ihm an den Kopf, nahm eine Haarsträhne zwischen zwei Finger und drehte sie hin und her. »Die sind noch nicht mal richtig rot«, sagte er verächtlich. »Erinnern mich eher an dreckiges, billiges Kupfer. Ich seh nicht, was daran so toll sein soll.«
Er stand auf, schob die Stiefelspitze unter Jacks Körper und drehte ihn mit einer einzigen blitzschnellen Bewegung auf den Bauch, sodass sein Gesicht im Dreck lag. Dann stieß er mich zur Seite, bückte sich und riss Jack das Hemd aus der Hose. Die blasse Haut seines Rückens leuchtete in der Sonne.
»Schau gut zu, das wird dich interessieren«, sagte Brodie und ging wieder in die Hocke. »Ich werde ihm noch ein paar Schnitte verpassen, aber diesmal lasse ich mir dabei mehr Zeit.« Er leckte sich genüsslich über die Unterlippe. »Du denkst gerade daran, wegzulaufen und Hilfe zu holen, stimmt’s, Vi? Ich spür es sofort, wenn meine Opfer abhauen wollen. Aber wenn du das tust, bring ich Jack um, statt ihn bloß zu ritzen. Nein …« Er sah zu mir auf: »Du wirst nirgendwo hingehen, Violet White. Ich hab nämlich Pläne für dich. Große Pläne. Ich werde dich bluten lassen, hörst du? Ich werde dich ritzen und du wirst bluten.«
Als Sunshine am Ausgang des Tunnels aufgeschrien hatte und dann ohnmächtig geworden war, hatte ich geglaubt, Angst zu haben. Als ich den Teufel hinter River aufragen sah, hatte ich geglaubt, Angst zu haben. Als ich Jack gefesselt auf dem Dachboden entdeckte, den toten Jungen neben den Gleisen fand, Sunshine blutend auf dem Boden liegen und ihren Vater mit dem Baseballschläger sah, hatte ich geglaubt, noch mehr Angst könne ich gar nicht haben. Aber das alles war erst der Anfang gewesen. Und der Mittelteil. Eine Art Vorgeschmack auf die Angst, die dieser rothaarige Junge in mir auslöste.
Und das hier war das Ende.
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Brodie zerrte mich zum Gästehaus. Eine Hand hatte er in meine Bluse gekrallt, die andere in meine Haare, wo er mir seine Fingernägel in die Kopfhaut grub, bis das Blut floss.
Ich versuchte mich umzudrehen, versuchte, nach Jack zu rufen – der immer noch reglos am Boden lag, die Haut mit einem Gittermuster aus roten Schnitten bedeckt –, aber die Nägel gruben sich noch tiefer in mein Fleisch.
Brodie riss die Eingangstür auf und stieß mich in die Küche. Das Erste, was ich sah, war River, der am Boden kniete. Neely stand hinter ihm und hielt ihm ein Messer an die Kehle. Er hatte River an den Haaren gepackt und seinen Kopf zurückgebogen, und die Klinge presste sich so fest in die weiche Haut unter seinem Adamsapfel, dass sie
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