Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer
zusammengebundenes Kreuz in der Hand.
Ich sah, wie scharf und spitz die Enden waren, und erschauerte.
»Tu mir nichts. Bitte.« Ich blickte in die blauen Augen des Jungen und hatte Angst. Angst vor einer Bande von Kindern und ihrem albernen Holzkreuz. Eigentlich lachhaft. Aber irgendetwas an ihren wütenden Gesichtern und ihrer gespenstisch weißen Haut jagte mir Todesangst ein. Ich versuchte noch einmal, mich zu befreien, und wälzte mich hin und her, aber die anderen Jungen hielten mich unerbittlich fest.
»Lasst sie los«, befahl der Rothaarige plötzlich und schüttelte ungeduldig den Kopf, sodass seine Haare nach allen Richtungen flogen. Er stand breitbeinig und mit verschränkten Armen da, wie ein Krieger aus Die Sieben Samurai . »Ich hab euch doch gesagt, dass der Teufel rote Augen hat, die im Dunkeln glühen. Habt ihr euch ihre Augen angeschaut? Sind sie rot?«
Die drei Jungs betrachteten mein Gesicht und runzelten die Stirn.
»Na also«, sagte der Jojo-Junge. »Ihre Augen sind nicht rot. Und jetzt lasst sie endlich los.«
Ich holte tief Luft, als der Junge, der auf meinem Bauch saß, von mir herunterglitt. Die beiden, die meine Beine festgehalten hatten, sprangen auf und verschwanden in der Dunkelheit. Ich setzte mich auf, wischte mir den Dreck aus dem Gesicht und sah River an. Zwei Jungen hatten ihn zu Boden gezerrt und hielten ihm ihre spitzen Holzpflöcke an die Kehle, die sie jetzt aber sinken ließen. River rappelte sich hoch und kam zu mir.
»Bist du verletzt?«, flüsterte er.
Ich schüttelte den Kopf und klopfte ein paar Grashalme von meinem Rock. Meine Schienbeine waren aufgeschürft, und mein linkes Knie blutete, aber ansonsten fehlte mir nichts. River griff nach meiner Hand und half mir, aufzustehen.
Der Junge mit den kupferfarbenen Haaren sah uns einen Moment lang schweigend an. »Ich bin Jack«, sagte er schließlich. Seine Augen waren weit geöffnet und seltsam starr. Er schaute mich an. »Ich kenne dich aus dem Café. Du bist Violet White und dein Bruder heißt Luke. Ihr lebt in der großen Villa am Meer. Eure Familie war früher ziemlich reich, jetzt nicht mehr.« Er zuckte mit den Achseln. »Du hast mir mal einen Kaffee ausgegeben, als ich nicht genügend Geld dabeihatte.«
Ich erinnerte mich. »Stimmt«, sagte ich und nickte. Einmal war der Kleine mit neunundzwanzig Cent ins Café gekommen und hatte versucht, dafür einen einfachen schwarzen Espresso zu bekommen. Ich hatte zufällig neben ihm gestanden und ihm einen Espresso con panna spendiert, weil er sich sowohl den einen als auch den anderen nicht hätte leisten können.
»Ihr solltet nicht hier sein«, sagte Jack, dessen Stimme so leise und ernst war wie sein Gesicht. »Wir sind auf Patrouille. Der Teufel hat sich vor ein paar Stunden Charlies Schwester geholt. Im einen Moment hat sie noch neben uns gespielt, und im nächsten ist der Teufel gekommen, hat sie an der Hand genommen und ist mit ihr verschwunden. Und jetzt ist sie … weg.«
Seine Stimme brach, als er das sagte. Ich sah River an, aber dessen Gesicht blieb ausdruckslos.
Jack räusperte sich. »Ich glaube, er kommt vor dem Morgengrauen zurück, um sich noch ein Kind zu holen. Tagsüber schläft der Teufel wie ein Vampir. Deswegen haben wir uns Pflöcke geschnitzt. Wenn er wie ein Vampir schläft, kann er auch wie ein Vampir getötet werden. Dafür muss man ihm einen Holzpflock mitten durchs Herz rammen.«
Während Jack sprach, bildeten die Jungs, die uns angegriffen hatten, einen Halbkreis um River und mich und lauerten wie hungrige Wölfe.
»Vielleicht sollten wir ihn pfählen, nur um ganz sicherzugehen«, sagte ein kleiner, dünner Junge mit schwarzen Locken und deutete mit seinem Pflock auf River. »Dann sehen wir, ob er blutet. Ich habe gehört, der Teufel blutet nicht. Dann wüssten wir wenigstens Bescheid.«
»Sei still, Charlie. Ich regle das.« Jack deutete auf seine Truppe. »Danny, Ross und ich haben ihn gesehen. Isobel hat genau hier vor der Gruft mit ihrem Hula-Hoop-Reifen gespielt und er hat sich auf sie gestürzt und sie … mitgenommen.« Jack schaute zum Himmel auf. »Er hatte rote Augen und war ein bisschen seltsam angezogen, aber ansonsten hat er eigentlich ganz normal ausgesehen, bis auf die roten Augen, die Pilger-Klamotten und den Schlangenstock.«
»Pilger-Klamotten? Schlangenstock?«, fragte ich.
Jack sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, als fragte er sich, ob ich ihm glaubte. »Ja, er hatte einen schwarzen, spitzen Hut und
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