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Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer

Titel: Fuerchte nicht das tiefe blaue Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Genevieve Tucholke
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Mal innerhalb von acht Stunden den Weg in die Stadt ein.
    Im Park war es brechend voll, der Himmel färbte sich violett und würde bald ganz dunkelblau sein. Wir waren spät dran. Die vorderen Plätze waren bereits alle belegt, aber die Leinwand war so groß, dass man auch von ganz hinten einen guten Blick darauf hatte. Wir kamen an ein paar Leuten aus meiner Schule vorbei, die mich aber genauso wenig zur Kenntnis nahmen wie ich sie. Es war nicht so, als hätten wir etwas gegeneinander gehabt, dafür fehlte auf beiden Seiten die Leidenschaft. Alle hatten mitbekommen, dass unsere Eltern schon ziemlich lange weg waren, und manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie nicht so recht wussten, ob sie uns – die ehemaligen Bonzenkinder – deswegen bemitleiden, uns um unsere Freiheit beneiden oder wegen unserer seltsamen Künstlereltern verspotten sollten. Also ließen sie uns in Ruhe. Wahrscheinlich hielten sie uns genau wie Daniel Leap für aufgeblasene Wichtigtuer.
    Luke hatte es in dieser Hinsicht leichter als ich. Er kam bei den Mädchen gut an und war längst nicht so sensibel wie ich. Aber das war in Ordnung. Ich hatte sowieso Schwierigkeiten, mit anderen Menschen zu reden, außer mit Freddie.
    Und mit River, wie mir jetzt klar wurde. Mit River fiel es mir auch nicht schwer.
    Ich hatte die Decke, die ich mitgenommen hatte, gerade in ausreichendem Abstand zu meinen Mitschülern auf dem Boden ausgebreitet, als ich Gianni in der Gruppe entdeckte. Er war ein großer, dunkler Typ und hatte ein schelmisches Funkeln in seinen tiefgründigen italienischen Augen, das mir gefiel. Gianni half seinen Eltern regelmäßig im Café oder in der Pizzeria aus, und wir unterhielten uns öfter darüber, wo man den besten Fair-Trade-Kaffee kaufen konnte, welche neuen Kaffeekreationen es gab und wie man den perfekten Milchschaum für Cappuccino herstellte. Gianni war Purist. Wenn ihn jemand zum Beispiel darum bat, einen Schuss Weiße-Schokolade-Sirup in den Kaffee zu geben, verlor er manchmal die Beherrschung, was ich irgendwie süß fand.
    Gianni sah mich und winkte mir lächelnd zu, worauf ich zurücklächelte.
    Rechts von uns saß eine Gruppe von Kindern, die Jojo spielten und unbeschwert Spaß hatten, wie ihn nur Kinder haben können. Wie sie wohl auf die Idee gekommen waren, Casablanca sehen zu wollen? Wahrscheinlich hatten ihre Eltern sie nach dem Abendessen aus dem Haus gescheucht, und sie waren einfach dorthin gegangen, wo gerade der meiste Trubel herrschte. Ich fragte mich besorgt, ob sie während der Filmvorführung weiter so herumtoben würden, beschloss dann aber, dass es mir egal war.
    River und ich machten uns über die Oliven, den Käse und das Baguette her und schauten den Kindern beim Spielen zu. Es waren sechs Jungs, die alle rote Jojos dabeihatten, und ein Mädchen mit einem Hula-Hoop-Reifen. Einen der Jungen kannte ich. Er war vielleicht elf, hatte kupferrote Haare und Sommersprossen. Ich hatte ihn schon öfter in der Stadt gesehen und war jedes Mal erstaunt, wie ernst er für sein Alter wirkte. Manchmal war er mit einer Horde anderer Jungs unterwegs, aber meistens traf ich ihn allein. Ab und zu kam er ins Café und trank Kaffee, obwohl er genau wie ich mit zwölf eigentlich noch zu jung dafür war.
    Ein paar Minuten später stieß ein älterer Junge zu der Gruppe und begann sie zu ärgern. Er hatte strähnige dunkle Haare und einen fiesen Blick, der mich an einen wilden, halb verhungerten Hund erinnerte. Ich schätzte ihn auf höchstens vierzehn. Er machte sich eine Weile über die Jungs lustig, und als sie ihn ignorierten, begann er sie zu schubsen, nahm ihnen ihre Jojos weg und hielt sie so hoch, dass sie nicht mehr drankamen.
    River warf sich die letzte Kalamata-Olive in den Mund, stand auf, ging auf den Dunkelhaarigen zu, packte ihn an seinem dürren weißen Handgelenk und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Daraufhin ließ der Junge das Jojo fallen und rannte wortlos davon.
    River blieb noch eine Weile bei der Gruppe stehen und zeigte den Kindern ein paar Tricks mit dem Jojo. Er ging ganz unverkrampft mit ihnen um, als hätte er schon Millionen von Jungs gezeigt, was man alles Tolles mit Jojos anstellen kann. Sie hingen an seinen Lippen, und ein paar von ihnen beugten sich sogar ein bisschen vor, als wollten sie auch ja kein Wort verpassen.
    Ich blieb an unserem Platz sitzen, beobachtete River und fragte mich, was er ihnen wohl gerade erzählte, als das Mädchen zu mir rüberkam und mir lächelnd ihren Hula-Hoop-Reifen

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