Fürchtet euch
und mich hochzudrücken, damit ich Stump sehen könnte, aber Joe Bill war weg. Als ich nach hinten blickte, sah ich ihn in Richtung Wald abhauen, und ich sah ihm nach, wie er mit flatternden Hemdszipfeln durch das hohe Gras rannte.
Ich spähte wieder in die Kirche, und jetzt stand auch Mr Gene Thompson da vorne auf dem Podium, und er hatte die Arme fest um Mama gelegt, und sie weinte und wehrte sich gegen ihn, aber er ließ sie nicht los. Noch immer konnte ich weder Stump noch Pastor Chambliss sehen, und ich suchte und suchte, aber es war bloß ein kleiner Spalt, durch den ich längst nicht alles da drin sehen konnte. Ich ließ das Fensterbrett los, kam auf den Füßen auf und bückte mich unter dem Klimagerät hindurch auf die Seite, wo Joe Bill gestanden hatte. Dort stellte ich mich wieder auf Zehenspitzen und hievte mich auf die Ellbogen hoch, um reinzugucken, und da sah ich Stump auf dem Podium liegen, und Pastor Chambliss und der andere Mann lagen auf ihm. Stump trat um sich, als versuchte er, irgendwie wegzukommen, und zwei andere Männer standen von ihren Stühlen auf und kamen auf das Podium und legten ihre Hände auf ihn und berührten ihn, und irgendwer hämmerte noch immer aufs Klavier ein, und so ziemlich alle hatten die Augen zu, außer Mama und Mr Thompson. Sie starrte die Männer an, die auf Stump lagen und ihn festhielten und ihn anfassten, und sie weinte und schrie sie an, sie sollten aufhören. Stump strampelte mit den Beinen, als würde er versuchen, im Liegen über den Boden zu laufen, und Mama brüllte so laut, dass ich es über das Klavier, über das Klimagerät und über die vielen singenden Leute hinweg hören konnte.
Einen kurzen Moment lang vergaß ich, wo ich war, und ich schrie: »Mama!«, und in dem Moment riss sie eine Hand hoch über den Kopf und erwischte Mr Thompson genau am Mund. Er ließ sie los und fasste sich mit einer Hand an die Lippe, um zu testen, ob sie blutete. Mama fiel auf die Knie und fing an, die ganzen Leute von Stump runterzuziehen, und er setzte sich blitzartig auf, und sie zog ihn an sich und wiegte ihn hin und her, und die Männer saßen auf dem Boden und glotzten Mama und Stump an, als wüssten sie nicht, was sie davon halten sollten. Mr Thompson blickte nach unten auf Mama, und dann riss er den Kopf herum, und seine großen gelben Augäpfel sahen genau durch den kleinen Spalt, als würde er mich direkt anstarren.
Ich fürchtete, dass so ziemlich jeder in der Kirche gehört haben musste, wie ich nach Mama geschrien hatte, und als ich mich zu Boden fallen lassen wollte, spürte ich jemanden hinter mir, und dieser Jemand drückte mir eine Hand auf den Mund und zog mich rückwärts vom Fenster weg. Ich wollte mich am Fensterbrett festhalten und spürte, wie ein Stück von dem alten Holz in meiner Hand abbrach. Der hinter mir riss mich mit, und wir fielen ins hohe Gras. Die Sonne schien mir genau in die Augen, und ich konnte nichts sehen, und ich weinte, und ich kriegte keine Luft, weil dieser Jemand mir noch immer die Hand vor den Mund hielt. Dann fühlte es sich an, als würde mir irgendwas Schweres auf die Brust drücken. Ich schloss die Augen und wollte schreien, aber dann, als ich sie wieder aufmachte, sah ich, dass Joe Bill auf mir saß.
»Sei still, Jess«, sagte er. »Sei still.« Ich versuchte, mich auf den Bauch zu rollen, weil ich aufstehen und weglaufen wollte, aber er ging nicht von mir runter. »Sei still, die wollen ihm doch bloß helfen.« Ich hatte eine Heidenangst, und ich weinte so heftig, dass ich nicht mal mehr atmen konnte. Ich lag da, er auf mir, und ich wehrte mich, und auf einmal war ich auf den Beinen und rannte auf die Bäume zu.
Ich rannte über die ganze Wiese und in den Wald, und ich rannte weiter, bis mir schwindelig wurde und ich anhalten musste, um zu verschnaufen. Ich schaute mich nach Joe Bill um, aber er war nirgends zu sehen. Neben mir war ein Baum, und ich hob den Arm und berührte ihn mit der Hand, damit ich nicht umfiel, und dann lehnte ich mich dagegen. Ich hörte hinter mir irgendwas durch die Bäume krachen, und ich wusste, das war Joe Bill, der hinter mir herkam. Ich stützte die Hände auf die Knie, damit Joe Bill nicht mitkriegte, dass ich weinte, und da sah ich, dass meine Hand voller Blut war und dass ich Blut auf der Bluejeans hatte und auch auf dem Hemd. Ich drehte die Hand um und sah, dass ein Splitter, so lang wie mein halber Mittelfinger, in dem dicken Teil von meiner Hand genau unter dem Daumen steckte. Auf
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