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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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Madison County, heiratete eine hübsche junge Frau namens Julie und ließ sich hier nieder.
    An jenem Abend damals, als die Jungs noch auf der Highschool waren, hatte ich im Revier in Marshall gegen zehn Uhr einen Anruf bekommen, dass in einer der Neubausiedlungen in der Nähe der Interstate Schüsse gefallen waren. Ich machte mich gleich auf den Weg und fuhr über den Highway 25 / 70 Richtung Weaverville. So, wie die ganze Gegend da inzwischen zugebaut ist, könnte ich gar nicht mehr genau sagen, welche Siedlung es war, aber damals konnte man sie an einer Hand abzählen, und manche waren noch im Rohbau oder hatten noch keine asphaltierten Straßen.
    Ich schaltete das Blaulicht aus, als ich in eine von diesen Siedlungen kam, und sofort fiel mir auf, wie finster es wurde, sobald ich die Hauptstraße hinter mir gelassen hatte. Aber dann merkte ich, dass irgendwer hier sämtliche Straßenlampen zerschossen hatte. Die Glasscherben sahen aus wie übergroße Eierschalenstücke, die zu kleinen Häufchen am Straßenrand zusammengefegt und liegen gelassen worden waren. Am Ende der Sackgasse parkte ein alter Camaro mit ausgeschaltetem Licht. Ich wusste, dass er einem Freund von Jeff und Ben gehörte, den die beiden »Spaceman« nannten, und nach all den Jahren kann ich mich nicht mehr an den richtigen Namen von dem Jungen erinnern, wahrscheinlich weil der Spitzname so gut zu ihm passte. Ich hielt ein Stück entfernt an und stellte den Motor ab, dann stieg ich aus und ging rüber zu dem Wagen. Sie saßen alle drei auf der Erde, an die hintere Stoßstange des Camaro gelehnt. Ben hielt ein noch warmes Gewehr Kaliber .22 in den Händen, und auf dem Boden vor ihnen stand ein Zwölferpack Michelob, in dem nur noch zwei Bierflaschen waren. Die übrigen Flaschen waren zerschmettert, und überall lagen Scherben herum. Ich wusste sofort, dass die drei sturzbetrunken waren, als Jeff zu mir hochsah und grinste, als wäre er kein bisschen überrascht, mich plötzlich vor ihnen stehen zu sehen.
    »Hallo, Dad«, sagte er.
    »Euch ist doch wohl klar, dass ich euch alle drei festnehmen könnte, oder?«, sagte ich zu ihnen. Ich bückte mich und nahm Ben das Gewehr weg und vergewisserte mich, dass es leer war.
    »Ja, Sir«, sagte Jeff schlagartig nüchtern. Die beiden anderen sahen mich nicht an.
    »Aber ich denke, es wäre besser für mich und schlimmer für euch, wenn ich euch einfach nach Hause bringe, damit eure Eltern wissen, was ihr heute Nacht hier veranstaltet habt. Morgen früh kommen wir dann alle wieder her und räumen das ganze Glas weg. Und dann erkundigen wir uns, wo ihr die kaputten Straßenlampen bezahlen könnt.«
    »Mann«, murmelte Spaceman. Ich lud sie alle in den Streifenwagen und fuhr los, raus aus der dunklen, leeren Neubausiedlung. Jeff saß neben mir auf dem Beifahrersitz, und ich konnte seine Bierfahne riechen. Ich versuchte mir vorzustellen, was für eine Standpauke Sheila ihm – und mir – wegen dieser Geschichte halten würde. Ich schaute in den Rückspiegel und sah durch das Metallgeflecht zwischen Vordersitzen und Rückbank, dass Spaceman den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen hatte. Ben starrte aus dem Seitenfenster. Ich richtete die Augen wieder auf die Straße.
    »Mein Dad bringt mich um«, sagte Ben wie zu sich selbst. Ich schaute wieder in den Rückspiegel und versuchte, seinen Blick aufzufangen, aber er stierte noch immer aus dem Fenster.
    »Ich finde, diesmal hast du’s auch verdient«, sagte ich. »Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses. Schusswaffengebrauch. Sachbeschädigung. Kann dir nicht schaden, wenn er dir ein bisschen den Hals umdreht.« Ben schloss die Augen und lehnte sich im Sitz zurück genau wie Spaceman.
    »Ihr kapiert das nicht«, sagte er. »Er bringt mich richtig um. Ihr wisst nicht, wie das ist.«
    Ben war damals schon einen Meter siebenundachtzig groß, vielleicht sogar eins neunzig, und sein Daddy war ziemlich klein geraten, höchstens eins dreiundsiebzig, aber ich sah die Angst in Bens Augen und ich hörte sie in seiner Stimme. Ich hatte ihn schon ein paarmal mit einem Veilchen gesehen, und ich wusste, dass sein alter Herr nicht nur seine Frau immer wieder geschlagen hatte, bis sie ihn schließlich verließ, sondern auch Ben mehr als nur einmal windelweich geprügelt hatte. Ich fand es schwer vorstellbar, dass ein so kräftiger Bursche es nicht fertigbrachte, einem so kleinen Mann eins auf die Nase zu geben. Ich schätze, damals verstand ich erst

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