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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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Leiche darin finden«, sagte er. »Das kann ich Ihnen garantieren.«
    Die meisten Zuschauer am Zaun waren nach Hause gegangen, und es war ganz dunkel geworden, als die hintere Wand der Scheune einstürzte und einen Teil des Dachs mitriss. Auf das Geräusch von splitterndem Holz folgte ein Schauer aus glühenden Funken, die wie Schnee auf den Rasen fielen. Warme Ascheflocken trieben auf uns zu, und ich spürte, wie sie mir übers Gesicht glitten, und ich wischte sie mir vom Hemd. Der Krach des einstürzenden Dachs erschreckte Gillums jüngere Tochter, und sie fing an zu weinen.
    »Bring sie ins Haus«, wies er seine Älteste an.
    Sie nahm die Kleine auf den Arm und trug sie zum Haus, wo schwache Lichter hinter den Fenstervorhängen brannten. Ich sah ihnen hinterher, bis die Dunkelheit sie verschluck- te. Als ich mich umdrehte, war Gillum verschwunden. Ich suchte den Hof ab, bis ich seine Silhouette entdeckte, die von mir weg zum Brunnenhaus ging. Ich beobachtete ihn, wie er sich von mir entfernte, und auf einmal merkte ich, dass einige Leute in der Dunkelheit an mir vorbeikamen. Die Nachbarn, die ich nicht mehr gesehen hatte, waren wieder da, und viele von ihnen trugen Blecheimer und Plastikfässer. Sie bewegten sich schweigend durch den Hof.
    Unwillkürlich folgte ich der Gruppe zum Brunnenhaus, wo irgendwer mir einen Eimer in die Hand drückte, und ich stellte mich in die Reihe und wartete darauf, dass Gillum ihn mit Wasser aus dem Schlauch füllte. Hinter mir hörte ich es zischen, als ein Eimer nach dem anderen auf das schwelende Gras geschüttet wurde. Die Pumpe im Brunnenhaus sprang an, und das tiefe Brummen vermischte sich mit dem Knistern des Feuers und den schlurfenden Schritten der Leute, die sich hinten anstellten oder mit Wasser beladen davongingen.
    Als mein Eimer voll war, trug ich ihn schwerfällig zur brennenden Scheune, wo die anderen schon ringsherum das Gras wässerten. Einige wenige waren sogar ein Stück den Hang hochgeklettert und schütteten eimerweise Wasser in die Bäume. Das einzige Licht kam von dem Feuer, und die Dunkelheit um mich herum war erfüllt von dem Klang spritzenden Wassers. Ich hatte den Eimer am Henkel gepackt, und als er hin und her pendelte, schwappte das Wasser über auf meine Hose und die Stiefel. Ich ging vorsichtiger, bis ich die Hitze des Feuers im Gesicht spürte, dann blieb ich neben einem anderen Mann stehen und schüttete das Wasser behutsam auf einen Streifen Gras vor meinen Füßen.
    Ich stellte mich wieder in die Schlange, wo Gillum meinen Eimer erneut füllte, und arbeitete mich um die Scheune herum, tränkte das Gras und versuchte, möglichst nicht den beißenden Rauch von dem imprägnierten Holz einzuatmen. Der Boden war schließlich so nass, dass ich mit den Füßen durch matschiges Gras platschte, aber ich füllte meinen Eimer immer wieder neu und folgte den anderen im Uhrzeigersinn um die Scheune. Ich goss das Wasser methodisch in geraden Linien aus, bis das Gras nicht mehr dampfte. Ich blickte nach rechts und sah neben mir einen Mann mit Baseballmütze, der eine Zigarette im Mund hatte. Da er beide Hände brauchte, um das Wasser zu verteilen, versuchte er vergeblich, sich den Rauch aus den Augen zu blinzeln. Ich ging zurück zum Brunnenhaus, wo Gillum noch immer leere Eimer füllte. Er unterhielt sich mit jemandem. Als ich näher kam, sah ich, dass es Robert Clovis war.
    »Ich helf dir, sie wieder aufzubauen«, hörte ich ihn sagen. »Irgendwie fühl ich mich dafür verantwortlich.«
    »Das brauchst du nicht«, sagte Gillum. »Reden wir morgen drüber. Heute Abend kommt’s mir nur darauf an, nichts zu verlieren, was ich nicht ersetzen kann.«
    »Es tut mir leid«, sagte Clovis.
    »Das braucht es nicht«, sagte Gillum. Clovis wartete, bis sein Eimer voll war, dann verschwand er wieder Richtung Scheune. Ich trat vor und hielt meinen Eimer vor mich, spür- te, wie er schwerer wurde, als das Wasser aus dem Schlauch hineinrauschte«.
    »Danke für Ihre Hilfe«, sagte Gillum. Ich sah ihn an und nickte, dann drehte ich mich um und folgte Clovis zurück zur Scheune. Aber ich blieb stehen, als ich sah, dass das Feuer allmählich ausging und die Wiese schon voller bläulicher Silhouetten war, die sich in der Dunkelheit abzeichneten.

6
    In der Nacht, als die Überreste von Gillums Scheune im nassen Gras schwelten, tauchte Carson Chambliss zum ersten Mal auf dem Radarschirm des Sheriff’s Department von Madison County auf und war seitdem nicht mehr davon

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