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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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er mit dem Ellbogen meinen Arm berührte, wenn er zum Hahn über dem Waschbecken griff und das Wasser abdrehte. Ich war froh, dass das Licht kaputt war; so konnte ich ihn leichter sehen.
    Aber dann dachte ich daran, dass er in Miss Lyles Haus auf dem Bett lag, und dann fragte ich mich, was Mama und Daddy wohl gerade machten und ob sie auf dem Bett neben ihm lagen. Mir fiel ein, dass ich sie beide heute hatte weinen sehen, und allein bei dem Gedanken hätte ich wieder losheulen können, aber ich war einfach zu müde zum Weinen.
    Ich ging in unser Zimmer, machte das Licht an und sah mich um. Das Bett war gemacht, so wie Stump und ich es am Morgen zurückgelassen hatten, bevor wir zur Kirche fuhren. Ich kickte meine Schuhe weg, griff in meine Gesäßtasche und holte das Stück Quarz raus und hielt es in der Hand. Es war warm. Das Regal, das Daddy uns für unsere Steine gebaut hatte, war fast voll, aber ich ging hin und suchte nach einem guten Platz für Stumps Quarz. Ich legte ihn neben ein Stück Katzengold, das wir im Bach gefunden hatten, aber es kam mir irgendwie nicht richtig vor, ihn bei all den Steinen zu lassen, die wir zusammen gefunden hatten, erst recht nicht, wo ich ihm doch gesagt hatte, ich würde ihn für ihn aufbewahren.
    Die Schranktür stand auf, und als ich auf das obere Ablagebrett schaute, sah ich Stumps stille Schachtel. Ich wusste, dass Mama und Daddy nicht da waren und dass sie nicht merken würden, wenn ich die Schachtel runternahm und Stumps Quarz reinlegte. Ich dachte, wenn Stump mich aus dem Himmel beobachtete, hätte er bestimmt nichts dagegen.
    Ich spähte in den Flur und sah, dass mein Grandpa noch immer auf der Veranda war und rauchte. Er stand mit dem Rücken zu mir am Geländer, als würde er darauf warten, dass jemand die Einfahrt hochgefahren kam. Ich schlich mich in die Küche, nahm einen von den Stühlen am Tisch und trug ihn in unser Zimmer und stellte ihn vor den Schrank. Ich stieg auf den Stuhl, griff nach oben in den Schrank und nahm Stumps Schachtel runter. Ich stieg vom Stuhl und stellte die Schachtel aufs Bett. Bevor ich sie aufmachte, machte ich die Zimmertür zu und knipste das Licht aus. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich umzugewöhnen, aber es kam reichlich Mondlicht durchs Fenster. Mein Grandpa hustete draußen auf der Veranda.
    Ich hob den Deckel von dem Schuhkarton und sah, dass er voll war mit gefalteten Zetteln, einigen Steinen und ein paar Stöckchen, aber obendrauf lag das Glühwürmchen, das ich als Christbaumschmuck für Stump gebastelt hatte. Ich hob es an der Büroklammer, die Mama daran befestigt hatte, aus dem Karton und fragte mich, was Stump wohl gedacht hatte, wenn er es sich ansah. Ich fragte mich, ob er sich vorgestellt hatte, wie ich und er auf den Wiesen Glühwürmchen jagten und versuchten, sie direkt mit Mamas Weckgläsern zu fangen, oder ob er, wenn er die stille Schachtel öffnete, schon mal darauf gehofft hatte, das Glühwürmchen glühen zu sehen. Ich wusste nie so richtig, was er dachte, schon gar nicht, wenn er die Tür von unserem Zimmer schloss und mit seiner Schachtel allein war, aber ich hoffte, das Glühwürmchen, das er von mir bekommen hatte, hatte die Welt für ihn leiser gemacht. Ich legte das Glühwürmchen aufs Bett, ging zum Regal und nahm Stumps Quarzstein, den ich neben das Katzengold gelegt hatte. Ich ging zurück zur Schachtel und tat den Quarz rein, und dann nahm ich das Glühwürmchen und legte es auch wieder rein. Ich schloss den Deckel von Stumps stiller Schachtel, kletterte auf den Stuhl und stellte die Schachtel wieder auf die obere Ablage im Schrank, wo ich sie hergeholt hatte. Ich starrte eine Sekunde darauf, und dann überlegte ich es mir anders. Ich nahm sie wieder runter, stieg vom Stuhl und schob die Schachtel unter unser Bett.
    Ich öffnete die Zimmertür so leise ich konnte, und als ich rauslugte, sah ich, dass mein Grandpa noch immer auf der Veranda stand, aber er rauchte nicht mehr. Ich nahm den Stuhl und trug ihn zurück in die Küche. Mein Grandpa hatte mich wohl gehört, denn er drehte sich um und sah mich durch die Fliegentür an.
    »Bist du noch nicht im Bett?«, fragte er.
    »Gleich«, sagte ich.
    Ich ging zurück in unser Zimmer und zog Hemd und Bluejeans aus und kroch in der Unterhose ins Bett. Die Fenster waren offen, aber es war noch immer warm draußen, und ich strampelte die Steppdecke weg und zog nur das Laken über mich, damit ich in der Nacht nicht schwitz- te. Ich lag da und starrte an

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