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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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sich noch tiefer eingruben. Die Räder auf der linken Seite schleuderten mir Schnee und Matsch an die Fenster.
    Ich stellte den Motor ab und starrte das Funkgerät an. Ich nahm es aus der Halterung und überlegte, das Revier anzufunken, doch dann sah ich hinaus auf die Spuren im Schnee. Sie gingen weiter, als der Lichtkegel meiner Scheinwerfer reichte, und führten höher den Berg hinauf. Ich schaltete das Licht aus und stieg aus dem Wagen auf die Straße. Meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, und ich sah, dass der Schnee hier oben tief war und es noch immer heftig schneite. Außerhalb von Marshall war es schon fast minus zehn Grad gewesen, und hier oben auf dem Gunter war es noch ein paar Grad kälter. Aber ich dachte mir, wenn die Spuren schon einige Stunden alt wären, dann wären sie längst zugeschneit gewesen. Ich zog die Jacke enger um mich und stapfte los, den Berg hoch.

    Nachdem ich den Reifenspuren gut fünfzehn Minuten gefolgt war, hörte ich ein gedämpftes Geräusch von einer Straßenkuppe weiter oben. Es klang leise, und zunächst konnte ich nicht erkennen, was es war. Ich ging langsamer und schlich den Hang hoch in der Hoffnung, wenn da oben jemand war, ihn eher zu sehen als er mich.
    Weiter oben parkte am linken Straßenrand der Transporter, den einer der Jungs vom Montagetrupp erwähnt hatte. Ich war zwar noch ein gutes Stück entfernt, aber jetzt konnte ich hören, was das gedämpfte Geräusch war: Countrymusic, die aus dem Führerhaus dudelte.
    Ich näherte mich dem Seitenfenster auf der Fahrerseite und sah, dass Jimmy Hall in dem Transporter saß, den Kopf aufs Lenkrad gelegt. Ich ließ mir einen Moment Zeit, um die Füße fest in den Schnee zu stampfen, und dann riss ich die Tür auf, packte ihn am Kragen und zerrte ihn nach draußen. Seine Füße schleiften über den Boden und rissen leere Bierdosen und zerknüllte Zigarettenpackungen mit in den Schnee. Ein Countrysong plärrte aus dem Radio, und ich knallte die Tür zu, und die Musik dröhnte gegen die Fenster.
    Er rang gut eine Minute lang mit mir und versuchte, meine Hand von seinem Kragen loszubekommen, aber er war zu überrascht und zu betrunken, um sich wirklich zu wehren. Ich zerrte ihn nach vorn vor die Scheinwerfer und zwang ihn im Schnee auf die Knie. Ich zog meine Pistole aus dem Holster und schlug ihm den Lauf ins Gesicht. Das Geräusch war dumpf und hart, wie wenn man mit einem Baseballschläger gegen einen Baumstamm drischt. Ich verpasste ihm noch einen Schlag und hörte, wie seine Nase brach. Blut quoll dick wie Teer hervor, und ich sah, wie es ihm in den Mund und vorn auf die Jacke lief. Er kaute darauf wie auf einem Priem Tabak, den er auf keinen Fall runterschlucken wollte. Er sagte irgendwas, aber die Worte klangen, als wäre seine Zunge dick geschwollen. Er sah zu mir hoch und versuchte, sich die dicken Schneeflocken aus den Augen zu blinzeln.
    »Es war ein gottverdammter Unfall«, sagte er schließlich. Er versuchte, sich zu räuspern, und er hustete und spuckte mir Blut auf die Hand und den Ärmel. »Es war ein Unfall«, sagte er wieder.
    Ich hielt ihn am Kragen und starrte auf ihn runter, bis er aufhörte zu reden. Er ließ den Kopf nach vorn hängen, und sein Körper erschlaffte, als wäre er bewusstlos geworden. Ich spannte den Hahn an meiner Pistole und drückte ihm die Mündung an die Stirn. Ich hob sein Gesicht zu mir hoch. Manchmal, wenn ich wieder daran denken muss, wünschte ich, ich hätte ihm da einfach, ohne mit der Wimper zu zucken, eine Kugel in den verdammten Schädel gejagt, das Gehirn ins Geäst der nächstbesten Tanne geschossen und ihn dann im Schnee liegen lassen. Ich habe es nicht getan, aber ich schwöre, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke. Kein einziger Tag. Ich schwöre, dass ich daran denke, wie verflucht einfach es gewesen wäre, ihn da zu erledigen.
    »O Gott«, sagte er.
    Wir verharrten eine Weile so, ich vor Hall, der im Schnee kniete, mit meiner Pistole am Kopf. Es war still, aber ich konnte hören, wie die schweren Flocken auf den Baumästen über uns landeten, und ich hörte den dumpfen Puls der Musik, die aus dem Radio im Transporter kam. Ein Hund heulte im Tal unter uns.
    »Fragen Sie die Jungs«, flüsterte er.
    Ich hob den Stiefel und versetzte ihm einen Tritt, und er landete auf dem Rücken außerhalb des Lichtkegels der Scheinwerfer. Ich hob die Pistole und zielte in die Bäume über uns und drückte ab. Der Schuss bellte durch den Wald und hallte übers Tal.

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