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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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geworden war, seit das Dröhnen des Motors und der Klang unserer Stimmen erstorben waren. Ich ging zu meinem Wagen, stieg ein und ließ den Motor an und legte den Rückwärtsgang ein. Mein Oberschenkel pochte an der Stelle, wo mir das Seil die Haut aufgerissen hatte. Ich hörte Hall brüllen, ich sollte anhalten, und ich drehte den Kopf nach vorn und blickte durch die Windschutzscheibe. Er stand im Licht meiner aufgeblendeten Scheinwerfer.
    »Das mit Ihrem Jungen tut mir leid«, rief er. Ich saß da und sah ihn an, und dann wendete ich den Streifenwagen und fuhr den Berg hinunter.

    Als ich zu Hause ankam, parkte ich oben an der Einfahrt und starrte auf das Haus. Es brannte nirgendwo Licht, und es war still. Ich stieg aus dem Wagen und lehnte mich gegen die Kühlerhaube und lauschte, wie der Motor abkühlte. Schnee fiel mir in den Jackenkragen, und meine Hände fühlten sich schwer und kalt an. Im Schlafzimmer ging eine Lampe an, und nach und nach durchflutete Licht das Haus, und ich wusste, dass Sheila sich von Zimmer zu Zimmer bewegte und dann die Treppe runter zur Tür kam. Sie trat auf die Veranda und rief meinen Namen, aber ich wusste einfach nicht, wie ich den Mund aufbekommen und ihr antworten sollte.
    Sie kam die Stufen herunter, und ich sah, wie ihre Silhouette vor dem Hintergrund des hellerleuchteten Hauses den zugeschneiten Rasen überquerte. Sie blieb einmal kurz stehen, um den Bademantel enger um sich zu ziehen und den Schnee aus ihren Hausschuhen zu schütteln. Als sie bei mir war, sah sie mir ins Gesicht.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte sie, und dann wartete sie, dass ich etwas sagte. Sie lächelte mich besorgt an. »Du wirst noch zum Schneemann, wenn du länger hier draußen rumstehst.«
    Ich blickte sie an und überlegte, was ich als Erstes sagen sollte, aber mir war, als wäre ich tief im Schnee verschüttet gewesen und sie wäre gerade noch rechtzeitig gekommen, um mich auszugraben. Ich öffnete den Mund, um zu sprechen, und ich spürte die kalte Luft auf der Zunge und sah meine warme Atemluft wie Rauch vor mir aufsteigen.

12
    Adelaide Lyle
    Ja, ich weiß es noch genau. Wie Elizabeth und Lottie am Sonntagabend kurz nach Einbruch der Dunkelheit von der Kirche rüberkamen und vor meiner Tür standen, in ihrer Mitte Julie, die sich kaum auf den Beinen halten konnte. Wie die zwei sie bei mir im Wohnzimmer auf die Couch legten und mich dann mit in die Küche nahmen, um mir zu erzählen, was passiert war, und ich immer wieder fragte: »Warum? Warum war er noch mal in der Kirche?« Ich versuchte, möglichst leise zu sprechen, damit Julie mich nicht hörte, aber jedes Mal wurde die Frage lauter und lauter, weil diese beiden Frauen mir keine Antwort geben konnten. »Warum?« Und dann diese schlimme Prügelei vor dem Haus.
    Erst Dienstagmorgen, genau zwei Tage später, kam Sheriff Barefield erneut und fragte, wieso sie Christopher zu mir nach Hause gebracht hatten, nachdem es passiert war, und: »Waren Sie das nicht, die immer auf die Kinder aufgepasst hat?« Ich konnte auf diese Frage nur mit Ja antworten und auf die davor gar nicht, selbst wenn ich gewollt hätte, denn ich wusste es nun mal nicht. Aber vielleicht hätte ich die Geschichte ganz von Anfang erzählen können, hätte mich an damals erinnern können, vor vielen, vielen Jahren, als ich spätabends den Berg im Schnee hochgestapft war, weil der Pick-up von dem Jungen nicht weiterkam. Und jetzt kam der Sheriff her und saß in meiner Küche, aufgeplustert wie ein Gockel, und blickte mir forschend in die Augen, als wäre da noch was, etwas, das ich ihm verschwieg. Etwas, das ich nicht erzählen wollte. Als könnte ich jemals den Ausdruck in Julie Halls Gesicht vergessen, als ich den kleinen Jungen auf die Welt holte und ihm die Haube von den Augen nahm: Augen, so kristallklar wie Quellwasser und ohne eine Spur Angst in ihnen. Klar wie Glas, und er starrte zu mir hoch, ohne auch nur einmal den Mund aufzumachen und loszuschreien. Es kommt mir vor, als wäre es eine Ewigkeit her, aber ich weiß es noch ganz genau. Ich mag ja inzwischen eine alte Frau sein, aber ich weiß es noch ganz genau. Ich erinnere mich an die Nacht, in der er geboren wurde, als wäre es gestern gewesen.
    Als ich es hörte, fuhr ich im Bett hoch.
    »Was ist das?«, sagte ich, und dabei war doch gar keiner da, der hätte antworten können. Ich war immer allein gewesen, aber da saß ich nun aufrecht im Bett. »Wer ist da?«, rief ich, als würde ich eine Antwort von einer Stimme

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