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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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Garten, wo sie sich zwischen den Falten aus weißer Baumwolle verlor.
    »Die Konföderierten waren halb verhungert, Addie.«
    Ich trat zwischen den Laken hervor und schleifte den Korb durch das hohe Gras und die Veranda hoch. Ich stellte mich neben sie und hörte ihr zu und wartete, bis sie den Korb wieder mit einem nassen Wäscheberg gefüllt hatte.
    »Sie müssen tagelang durch die Berge geirrt sein, und weil sie es nicht besser wussten, haben sie Stechäpfel gegessen. Von dem Zeug wirst du verrückt, bis du am liebsten sterben willst.
    Damals wurde der ganze Tabak noch nach Hot Springs gebracht und von dort über die Mautstraße auf den Markt in Asheville. Ich war mit meinem Daddy und seiner Ernte in der Stadt, und auf einmal kamen die Jungs aus den Bergen und schossen auf alles, was sich bewegte, und führten sich auch sonst ganz merkwürdig auf. Ich kann mich an den irren Ausdruck in ihren Augen erinnern und dass mein Daddy meinte, das käme bestimmt von den Stechäpfeln. Er sagte, es gäbe sonst nichts, was die Menschen so verrückt macht.
    Als die Soldaten fertig waren, hatten sie eine ganze Reihe von Leuten erschossen, und die Leute, die sie nicht umgebracht hatten, hatten alle Soldaten bis auf einen umgebracht. Überlebt hatte ein Junge aus Gastonia, und der hatte eine Kugel im Bein stecken. Die Leute sagten, er wäre als Einziger von den Konföderierten unbewaffnet gewesen, sie sagten, er wäre wohl nicht mal alt genug gewesen, um mit einem Gewehr umgehen zu können. Er war völlig wahnsinnig, als die Schießerei vorüber war. Ein paar Leute aus der Stadt nahmen ihn zu sich und kümmerten sich um ihn und sorgten dafür, dass er in Sicherheit war, und versteckten ihn.
    Einige Tage später ritt ein Trupp von der konföderierten Bürgerwehr durch die Stadt und suchte nach den Deserteuren, die die Schießerei veranstaltet hatten, und ein paar Tage danach kam ein Trupp Unionisten auf der Suche nach Konföderierten. Aber die Leute hielten den Jungen versteckt. Sie wollten ihn nicht ausliefern, egal, wer nach ihm suchte. Als die Nachricht aus Raleigh kam, dass North Carolina seine Soldaten zurückgezogen hatte und der Krieg vorbei war, brachten sie den Jungen auf den Marktplatz und knüpften ihn auf. Sie hängten ihn. Einfach so.
    Ich habe das Gesicht von dem Jungen gesehen, als sie das mit ihm gemacht haben. Ich glaub, das werde ich nie vergessen.« Sie hörte kurz auf zu waschen, und ich sah, wie ihre nasse Hand einen dicken Grashüpfer vom Bottichrand nahm. Sie warf ihn in die Luft, und er öffnete die Flügel und ließ sich vom Wind heben, bevor er verschwand.
    »Wieso haben sie ihn getötet, wenn sie dachten, er wäre unschuldig?«, fragte ich.
    »Weil er an einem Ort war, wo er nicht hätte sein sollen, und das genügt manchmal.«
    Und wenn ich jetzt daran denke, was mit Christopher in der Kirche passiert ist, denke ich dasselbe.

14
    Wenn jemand aufmerksam genug gewesen wäre, dann hätte er nach Christophers Geburt förmlich zusehen können, wie Julie und Ben sich ganz langsam auseinanderlebten. So, als wäre zwischen ihnen ein Baum aus der Erde geschossen, der einfach zu dick war, um ihn noch mit den Armen zu umfassen. Julie war immer eine strenggläubige Christin gewesen, und sie betrachtete es als ein Geschenk Gottes, dass ihr kleiner Junge etwas Besonderes war. Aber Ben sah das nicht so mystisch, und ich denke, er erkannte seine eigene leise Art in der Schweigsamkeit des Jungen wieder, und dafür liebte er ihn umso mehr. Er war der Ansicht, Christophers Schweigen kennzeichnete ihn als seinen Sohn, und zwar stärker, als ihr gemeinsames Blut das je gekonnt hätte.
    Aber der Baum, der da zwischen ihnen wuchs, war knorrig und hatte dicke, tiefe Wurzeln, die unbändig nach oben strebten und an der Erde rissen, bis sie sich auftat. Und als das passierte, sah Julie sich von Ben durch eine Kluft getrennt, die so groß war, dass sie einander von da, wo sie standen, nicht einmal mehr sehen konnten. Julie schaute sich um und sah, dass sie ihren Glauben brauchte, um Gottes Plan für den kleinen Jungen und für ihre Familie zu verstehen. Es war, als würde Ben sie mit seiner Weltlichkeit anspornen und durch seine Abkehr von Gott und der Kirche in ihrem Glauben nur noch bestärken. Sie ließ keine Gelegenheit aus, um ihren Jungs etwas über den Herrn zu erzählen, vor allem, nachdem Jess auf die Welt gekommen war. Er war ein neugieriger Bursche und konnte einen manchmal mit Fragen über Gott und den Himmel und

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