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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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einmal.
    »Natürlich«, sagte sie. »Von wem in aller Welt sollte es denn sonst sein?«
    »Verrat du’s mir«, sagte ich.
    »Wenn Sie es nicht machen wollen, dann sagen Sie es. Ich finde schon eine andere Lösung, wenn Sie mir nicht helfen wollen.«
    Ich werde nicht behaupten, dass ich so etwas noch nie gemacht hatte, und ich werde nicht behaupten, dass es für so etwas keine guten und schlechten Gründe gibt, aber in diesem Moment wusste ich, dass ich das auf gar keinen Fall für Julie Hall machen würde, ganz egal, wer sie geschickt hatte. Aber das sagte ich ihr nicht, wie sie da so vor mir stand, klatschnass vom Regen und zu Tode verängstigt, mit Blutergüssen, die sich über ihren Bauch ausbreiteten wie Blüten.
    »Warten wir erst mal ab«, sagte ich. »Warten wir noch einen Monat, und dann sehen wir weiter. Es kann nicht schaden, wenn wir einfach noch abwarten. Es wird dir wahrscheinlich noch eine ganze Weile nicht anzusehen sein.«

    Aber ich schätze, das, was sie mit sich selbst angestellt hatte, musste gewirkt haben, denn sie sprach mich nie wieder darauf an, und sie bekam auch kein Baby. Ich wartete ein paar Monate, bevor ich das Thema zur Sprache brachte, und ich konnte ihr anmerken, dass sie nicht drüber reden wollte. Wir standen an einem Sonntagnachmittag nach dem Gottesdienst noch alle auf dem Parkplatz. Ich hatte die Kinder vom Flussufer hochgebracht, und sie spielten wie immer zwischen den Autos Fangen. Julie unterhielt sich mit ein paar Frauen aus der Gemeinde, und ich wartete, bis sie allein war, und ging dann zu ihr und sprach sie an.
    »Ich vermute, du hast deine Periode gekriegt, weil du nicht noch mal zu mir gekommen bist.«
    »Ich hab sie diesen Monat bekommen«, sagte sie.
    »Hast du Ben was gesagt?«
    »Nein«, erwiderte sie. »War ja nicht nötig. Ich war bloß spät dran, mehr nicht.« Sie wandte sich ab und rief Jess und Christopher, und dann bugsierte sie die Kinder in Bens Pick-up.
    »Komm mich ruhig besuchen, wenn dir danach ist«, sagte ich. »Nicht allein wegen so was, ich meine, du kannst jederzeit kommen und mit mir reden, wenn dir danach ist.«
    »Danke«, sagte sie, »aber ich denke, jetzt ist ja alles in Ordnung. Mir geht’s gut.«
    Ich stand da und sah zu, wie sie den Pick-up rückwärts vom Parkplatz setzte und dann die Straße hoch davonfuhr. Ich weiß noch, wie ich dachte,
Da fährt eine Frau, die eine Heidenangst hat
, aber ich konnte mir einfach nicht erklären, was sie so verängstigt haben mochte.
    Ich wandte mich wieder ab, um mich noch mit ein paar Leuten zu unterhalten, ehe sie wegfuhren, und da sah ich Carson Chambliss in der Kirchentür stehen. Er hatte das Sonnenlicht genau in den Augen und hielt in jeder Hand eine Holzkiste. Er starrte mich an, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln. Er hielt die Kisten rechts und links von sich an den kleinen Griffen, die obenauf befestigt waren. An die Innenseiten war ringsherum Hühnerdraht getackert, aber ich konnte aus der Entfernung nicht erkennen, was drin war, obwohl ich nur zu gut wusste, was es war.
    »Wie geht es Ihnen, Schwester Adelaide?«, rief er mir zu.
    »Danke, gut«, sagte ich. »Ich wollte gerade gehen.«
    »Wir hatten einen gesegneten Gottesdienst heute Morgen«, sagte er. »Und ich hoffe, unsere Kinder hatten auch eine gesegnete Zeit.«
    »Wir hatten viel Spaß«, sagte ich. »Wie immer.« Er mach- te ein paar Schritte auf den Parkplatz und blieb vor mir stehen, und in dem Moment fing eine von den Kisten, die er trug, so heftig an zu ruckeln, dass ich schon fürchtete, er würde sie fallen lassen. Er blickte kurz auf sie runter und sah dann wieder zu mir hoch. Er lächelte.
    »Schön, das zu hören«, sagte er. »Kinder sind das Herzblut dieser Kirche. Es gibt keine Zukunft ohne sie.« Er drehte sich um und stellte die Kisten auf die Ladefläche von Tommy Lesters Pick-up, zu denen, die Tommy getragen hatte. Dann ging er auf die andere Seite und stieg neben Tommy ein. Ich sah zu, wie sie vom Parkplatz auf die Straße fuhren, und hörte, wie Tommy Vollgas gab und sie davonbrausten.
    Ich stand da, schaute ihnen nach und dachte, wie schrecklich seltsam so etwas aus dem Munde eines Mannes klang, der einer Frau gezeigt hatte, wie sie ihr Baby umbringen sollte.

15
    Aber Julie kam schließlich doch zu mir. An dem Abend, nachdem Christopher gestorben war, tauchte sie vor meiner Tür auf, und als ich sie da so stehen sah, war nicht zu übersehen, dass sie geweint hatte.
    »Sie haben mal gesagt, ich könnte

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