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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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du Schulaufgaben machen?«, fragte mein Grandpa.
    »Ein bisschen«, sagte ich. Er warf einen Blick auf mein Buch, und dann schaute er durch das Fenster über der Spüle. Er schraubte den Verschluss von der Bierflasche ab, die er aus dem Kühlschrank genommen hatte.
    »Dann lass ich dich mal in Ruhe«, sagte er.
    An dem Abend, als es dunkel wurde, machte mein Grand- pa an dem Hang hinter seinem Trailer ein Feuer, und wir saßen da draußen und brieten Hotdogs an Kleiderbügeln. Er hatte keine Hotdog-Brötchen, und ich wollte keine Hotdogs auf Weißbrot essen, deshalb aßen wir sie direkt von den Kleiderbügeln, sobald sie abgekühlt waren, und tunkten sie in Senf und Ketchup. Er hatte eine Tüte Kartoffelchips zwischen uns gestellt und auch eine Zwei-Liter-Flasche Cola geholt. Er goss Cola in meinen Becher und dann welche in seinen Becher, und dann holte er eine kleine flache Blechflasche raus und goss daraus ein bisschen was in seine Cola. Er hatte mit dem Biertrinken aufgehört, sobald es draußen dunkel geworden war, aber kurz bevor wir den Trailer verließen und den Berghang hochgingen, hatte er aus dem Küchenschrank eine Flasche Whisky genommen und die Blechflasche damit gefüllt. Er schob die Blechflasche zurück in seine Jackentasche und trank einen Schluck aus dem Becher. Dann lehnte er sich zurück und stützte sich auf die Ellbogen.
    »Das hier ist was für Männer«, sagte er. »Nicht?« Ich hob meinen Hotdog aus dem Feuer und sah zu meinem Grand- pa rüber, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. »So was wie wir hier haben Männer schon immer gemacht«, sagte er. »Sie waren schon immer draußen, unter freiem Himmel, haben sich am offenen Feuer was zu essen gemacht.« Er trank einen langen Schluck. »Auch die Indianer haben das gemacht«, sagte er. »Die Indianer, die auf diesem Land gelebt haben, vor vielen hundert Jahren. Die haben auch schon genau das gemacht, was wir beide jetzt machen.« Er sah mich an. »Fühlst du dich wie ein Indianer?«, fragte er.
    »Nein«, sagte ich. Ich zog den Hotdog von meinem Kleiderbügel. Er war zu heiß für meine Finger, und ich legte ihn auf meinen Schoß, um ihn abkühlen zu lassen, ehe ich ihn aß. Ich machte die Plastikpackung Hotdogs auf und nahm einen neuen raus und spießte ihn auf den Kleiderbügel. Mein Grandpa hob eine Hand an den Mund und schlug sich auf die Lippen und heulte wie ein Indianer.
    »Ich fühle mich wie ein Indianer«, sagte er. Er gab mir einen Stups mit dem Ellbogen, und mein Hotdog stieß gegen ein Scheit im Feuer. Funken stoben aus den Flammen und wehten hinauf in den dunklen Himmel. Er lachte. »Jetzt du«, sagte er. Ich hob eine Hand an den Mund und heulte auch wie ein Indianer. »Sehr gut«, sagte er. »Jetzt sind wir beide Indianer.« Er trank seinen Becher leer, und dann schraubte er die Flasche Cola auf und goss sich wieder was ein. »Das hier ist was für Männer«, sagte er noch mal.
    Wir aßen die Hotdogs und blieben da am Berghang am Feuer sitzen, bis es fast ganz runtergebrannt war, und dann ließ er mich in den Wald hinter uns gehen und ein paar Stöcke sammeln, um sie aufs Feuer zu legen. Ich wusste, dass mein Daddy ihm gesagt hatte, er sollte mich nicht zu spät ins Bett schicken, weil ich am nächsten Tag Schule hatte, und ich wusste, dass ich schon längst im Bett hätte sein müssen, aber wir saßen einfach weiter da draußen am Hang und blickten ins Feuer.
    »Hast du eine Freundin?«, fragte mein Grandpa.
    »Nein«, sagte ich.
    »Magst du Mädchen schon?«
    »Sie sind ganz in Ordnung, schätz ich«, sagte ich. »Meine Mom sagt, ich bin noch zu jung, um eine Freundin zu haben.«
    »Das klingt ganz vernünftig«, sagte mein Grandpa. Er hob seinen Becher und trank den letzten Rest und warf ihn ins Feuer, und dann griff er in seine Tasche und holte die Blechflasche raus und schraubte die Kappe ab und trank einen langen Schluck. Er wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und stieß einen Seufzer aus, als wäre er in Gedanken bei etwas, worüber er nicht nachdenken wollte. »Das klingt ganz typisch für die Frauen hier oben«, sagte er. »Die schneiden dir eher den Schniedel ab, als dass sie dich damit spielen lassen.«
    Ich überlegte, ob ich ihn fragen sollte, was er meinte, weil ich noch nie daran gedacht hatte, ein Mädchen könnte mir den Schniedel abschneiden, aber mein Grandpa starrte einfach ins Feuer, als wäre es ihm lieber, wenn ich nichts sagte, also sagte ich auch nichts. Er trank wieder einen Schluck aus

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