Fürchtet euch
der Flasche und spuckte ins Feuer, und die Flammen schossen ein bisschen hoch, und ich konnte die Hitze vom Feuer im Gesicht spüren. Mein Grandpa sah mich an und öffnete und schloss die Finger, als wären sie eine Schere. »Die schneiden ihn dir glatt ab, wenn du sie lässt«, sagte er. »Einfach so.« Er lachte leise über das, was er gesagt hatte, und ich lachte auch, und dann streckte ich mich auf der Erde aus und schaute in den Himmel und sah zu, wie kleine glühende Ascheflocken hoch zu den Sternen schwebten und verschwanden.
»Wundert mich nicht, dass deine Mutter so was zu dir sagt«, sagte er. »Dass du zu jung bist, um schon Mädchen zu mögen. Wundert mich überhaupt nicht.«
»Wieso nicht?«
»Hast du die Mama von deiner Mama noch gekannt? Deine Großmutter?«
»Nein«, sagte ich. »Die ist gestorben, bevor ich geboren wurde. Ich hab auch ihren Daddy nicht mehr gekannt.«
»Ich auch nicht«, sagte mein Grandpa. »Der war schon ein paar Jahre tot, bevor sie und dein Daddy sich kennenlernten. Ihre Familie hat oben in Mars Hill gelebt, und ich hab keinen Einzigen von denen kennengelernt. Ich hab ihre Mama nur einmal gesehen, an dem Tag, als die zwei da oben geheiratet haben.« Er hörte auf zu reden und schraubte die Kappe von der Flasche ab, trank einen Schluck und dann schraubte er die Kappe wieder drauf. »Deine Grandma war eine dicke Frau, dicker, als du dir vorstellen kannst.«
»Wie dick?«, fragte ich.
»Weißt du, wie breit eine Waschmaschine ist?«, fragte er.
»Ja.« Er saß einen Moment lang schweigend da, und dann sah er mich an.
»Hast du schon mal einen VW -Käfer gesehen?«
»So dick war sie nie im Leben«, sagte ich. »Das kann nicht sein.«
»Du hast sie nicht gekannt«, sagte er lachend. »Sie war eine dicke Frau. Die dickste Frau, die ich je gesehen hab. Sie war auch eine strenge Christin. Mars Hill ist ein ödes Kaff, und die Hochzeit fand in einer kleinen Baptistenkirche neben einem Maisfeld statt. Es war Anfang Sommer, und der Mais leuchtete in einem frischen Grün. Deine Grandma hieß Margaret, glaub ich, Margaret Sampson, und als ich in die Kirche kam, thronte sie schon ganz vorn in der ersten Reihe. Und dann, nach der Hochzeit, bin ich nach draußen gegangen, wo Picknicktische mit Essen aufgestellt worden waren, und da saß sie schon im Schatten unter einer mächtigen Eiche. Ich hab die Frau nie in Bewegung gesehen, und es war mir ein Rätsel, wie sie so schnell dahin gekom- men ist.
»Und du kannst mir glauben«, sagte er, »sie saß da und hat die Leute auf der Feier beobachtet wie ein Habicht. Sie hat die Trauung in der Kirche und die Hochzeitsfeier gleich neben der Kirche organisiert, und es wurde nicht getanzt und erst recht kein Alkohol ausgeschenkt. Ich schätze, die Leute wussten das im Voraus. Ich hab noch keine Frau erlebt, die so stur ihren Willen durchgesetzt hat, aber genauso hat sie deine Mama erzogen. Religion war wichtig für die ganze Familie. Deinen Daddy hab ich nicht so erzogen. Ich hab ihn eigentlich gar nicht zu irgendwas erzogen. Aber deine Mama ist religiös erzogen worden, und die Leute ändern sich nicht«, sagte er. »Auch wenn du das noch so gern hättest.« Ich hörte, wie er die Kappe von der Blechflasche abschraubte und wieder einen Schluck trank. »Manchmal wollen sie es sogar selbst und schaffen es nicht.«
Ich dachte darüber nach, und dann dachte ich daran, wie sehr Daddy sich in den letzten paar Jahren verändert hatte, und dann dachte ich an Stump, wie er oben im Himmel saß und zuguckte, was hier unten so alles passierte. Ich fragte mich, ob er zugeguckt hatte, wie ich und Grandpa da draußen am Feuer Hotdogs geröstet hatten, und dann fragte ich mich, ob er jetzt auch zuguckte, wie ich bei Joe Bill zu Hause auf dem Platz im Garten stand und Joe Bill direkt neben mir versuchte, sich den Ball durch die Beine zu dribbeln. Er hörte auf zu dribbeln und sah mich an.
»Kann ich dich was Komisches fragen?«, fragte Joe Bill.
»Von mir aus.«
»Glaubst du, Stump ist im Himmel?«
»Na klar ist er im Himmel«, sagte ich.
»Woher weißt du das?«
»Ich weiß es einfach.«
»Hat der Heilige Geist ihn erlöst?«
»Was?«
»Meine Mom sagt, nur so kannst du in den Himmel kommen«, sagte er. »Sie sagt, du musst deine Sünden beichten und dann wirst du vom Heiligen Geist erlöst.«
»Dann ist er wohl erlöst worden, schätz ich.« Ich schlug ihm den Ball aus den Händen und trug ihn zu der Stelle, wo auf einem richtigen Basketballfeld
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