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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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im Leben!«, rief Joe Bill.
    »Wetten?«, rief ich zurück. Ich hielt den Ball in Kinnhöhe und starrte auf den Ring, als würde ich mich drauf konzentrieren, und überlegte, wie weit der Korb entfernt war. Ich ging ein paar Schritte näher ran, und dann warf ich. Der Ball rollte über den Ring, als würde er nicht reingehen, und dann fiel er doch in den Korb.
    Joe Bill fing den Ball auf und kam dann zu der Stelle, wo ich stand.
    »Viel Glück«, sagte ich.
    »Brauch ich nicht«, sagte er. Er machte seinen Wurf, doch der Ball prallte wieder vom Ring ab, rollte zu ihm zurück, und er hob ihn auf.
    »Noch ein Fehlwurf, und du bist die Kuh«, sagte ich. Joe Bill prellte den Ball einmal, und dann hielt er ihn sich vor die Brust und wischte den Staub ab. Ich klatschte in die Hände, damit er mir den Ball zuwarf.
    »Ich bin dran«, sagte ich. Er ließ den Ball über den Boden zu mir rüberspringen.
    »Wie ist das, einen neuen Grandpa zu haben?«, fragte er. Ich blickte auf meinen Schatten, der sich vor mir über die Erde erstreckte, und ich überlegte, wie ich die Frage beantworten sollte. Ich hielt mir den Basketball vor den Bauch und drehte mich seitlich. Mein Schatten sah aus, als wäre ich schwanger.
    »Er ist nicht neu«, sagte ich. »Er war immer mein Grand- pa.« Ich warf den Ball von da, wo ich stand, doch er traf das Brett und prallte vom Ring ab. Joe Bill rannte hinterher und hob ihn auf.
    »Aber du hast ihn vorher noch nie gesehen«, sagte er.
    »Ich weiß«, sagte ich. »Aber deshalb ist er ja nicht neu.«
    »Hast du ihn gefragt, wo er war?«
    »Er ist viel rumgekommen«, sagte ich. »Aber ich soll ihn eigentlich nicht fragen, also löcher mich nicht.«
    »Hat mich bloß interessiert«, sagte Joe Bill. Er prellte den Ball zweimal, und dann sagte er: »Wie war’s bei ihm zu Hause?«
    »Ganz okay«, sagte ich. »Ist ja bloß ein Trailer.« Am Dienstag nach der Schule hatte ich zu ihm gemusst, weil Daddy meinte, ich sollte an dem Abend nicht mit zum Bestatter, um Stump zu sehen, obwohl ich ihm gesagt hatte, ich würde gern hingehen, weil ich alt genug für so was wäre. Mama hätte ihn vielleicht überreden können, aber sie war ja nicht da. Sie war seit Montagabend bei Miss Lyle, und ich hatte sie seitdem nur einmal gesehen, als eine der Frauen von der Kirche ganz früh am Dienstagmorgen mit ihr zu uns gekommen war, um ein paar Sachen zum Anziehen zu holen, bevor ich zur Schule musste. Zu Stumps Beerdigung durfte ich auch nicht mitkommen, weil Daddy meinte, es wäre nicht gut, wenn ich die Schule verpasste. Er sagte, er wäre am liebsten auch nicht zum Bestatter gegangen, weil da ja nicht Stump aufgebahrt wäre. Er sagte, Stump wäre schon im Himmel und würde da oben sitzen und zuschauen und sich fragen, warum alle so traurig wären.
    Der Trailer von meinem Grandpa stand ganz weit hinten in einem Tal drüben in Shelton. Auf der Fahrt dahin erzählte er mir, dass es da unten sogar am Morgen fast so aussähe wie mitten in der Nacht, aber als er den Pick-up parkte und wir ausstiegen, konnte ich alles ganz normal sehen. Sein Trailer war aus Metall, und er hatte ein Flachdach und ein paar kleine Stufen vor der Tür. Ich zog meine Schultasche vom Sitz und hängte sie mir über die Schulter, und dann folgte ich meinem Grandpa die Stufen hoch. Es war dunkel in dem Trailer, als er die Tür öffnete, aber dann zog er die Jalousien im Wohnzimmer hoch und ging in die Küche und zog auch dort die Jalousie über der Spüle hoch. Der Trailer roch, als wäre er lange nicht benutzt worden, und da, wo die Sonne durch die Fenster kam, sah ich Staub im Sonnenlicht schweben.
    »Wie lange wohnst du schon hier?«, fragte ich ihn.
    »Seit knapp einem Monat«, sagte er. »Aber er gehört mir schon sehr lange. Ich bin auf diesem Stück Land aufgewachsen, bevor ich auf den Gunter gezogen bin, als dein Daddy ein kleiner Junge war.« Wir standen da und sahen uns einen Moment lang an, und dann drehte er sich um und öffnete den Kühlschrank, und ich konnte Flaschen klimpern hören. »Willst du was essen?«, fragte er. »Oder eine Cola oder so?«
    »Nein, danke«, sagte ich. Ich ging ins Wohnzimmer und warf meine Schultasche aufs Sofa und setzte mich daneben. Das Sofapolster war weich, und ich sank tief ein, und meine Schultasche kippte mir auf den Schoß. Ich nahm die Tasche und stellte sie auf den Boden, machte sie auf und holte mein Lesebuch und einen Bleistift und ein Blatt Papier raus. Ich schlug das Buch auf meinem Schoß auf.
    »Musst

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