Fuerstin der Bettler
Richtung Tür.
»Verschwinde, und sag deinem ... deinem ...«, er kannte das Wort dafür gar nicht, fiel ihm jetzt ein, »dass ich für solche Geschenke keine Verwendung habe.«
Der Mönch sah zu, wie das Kind auf den Gang hinaustrat.Immer wieder sah sie sich zu ihm um, doch er wedelte sie weg wie schlechte Luft. Das Mädchen ging zum Schrank, stieg unter Schluchzen hinein und war endlich verschwunden.
Bruder Adilbert lehnte sich gegen die kühle Mauer neben der Tür und schickte ein Dankgebet gen Himmel. Er hätte der Versuchung nicht mehr länger widerstehen können.
»Herr, ich bin doch auch nur ein Mann. Warum musst du mich so schwer prüfen?«, flüsterte er.
Gleichzeitig reifte ein Entschluss in ihm. Er würde den Weg endlich beschreiten, dem Mädchen nachgehen.
Er tastete nach dem Münzbeutel unter seiner Kutte. Geld hatte er also bei sich – und seine Begierde war geweckt. Bevor er sich wieder in Bedenken verstrickte, stieß er sich von der Wand ab, verließ den Raum und ging auf den Schrank zu.
Der Durchgang war noch offen. Er stieg in den Schrank, schloss die Tür hinter sich, zwängte sich durch den engen Türspalt und stand auf einer nur schwach beleuchteten Treppe, die steil nach unten führte. Vorsichtig Stufe für Stufe nehmend stieg er hinunter. Er kam an einem kleinen vergitterten Fensterchen vorüber und sah hinaus. Vor ihm lag der Kirchberg. Der Gang endete an einer schmalen Tür. Sie war verschlossen. Er rüttelte noch einmal an dem Griff, doch die Tür rührte sich nicht. Er drehte sich um, und sein Blick streifte in der Dunkelheit eine kleine Nische in der Wand, die sich noch dunkler abzeichnete. Wäre er der Hüter dieses Schlüssels gewesen, er hätte ihn dort hinterlegt. Schließlich wäre es irgendwann aufgefallen, wenn er mit einem Schlüssel herumgelaufen wäre, wo es keiner Schlüssel bedurfte. Die einzigen Brüder, die Schlüsselgewalt hatten, waren der Abt und der Bruder Cellerar.
Es kostete ihn Überwindung, die Hand in das dunkle Loch zu stecken und dort herumzutasten. Tatsächlich griffen seine Finger unter dem Staub und Schmutz der Jahre einen Schlüsselbart. Erpackte ihn und hielt tatsächlich einen Schlüssel in Händen, rostig und lange Zeit unbenutzt. Er wischte ihn an seiner Kutte ab und steckte ihn in das Schloss.
Zuerst tat sich nichts. Doch je öfter er den Schlüssel zu drehen versuchte, desto leichter ließ er sich bewegen. Schließlich sperrte er mit einem knirschenden Ruck. Langsam stieß er die Tür auf und stand in einem kleinen Holzverschlag. Wozu er diente, konnte er nicht sagen. Er roch jedenfalls wie der Abtritt des Klosters.
Bruder Adilbert schloss sorgfältig die Tür hinter sich, schlüpfte durch die andere Tür Verschlags nach draußen und stand im Freien. Er hatte das Kloster verlassen.
Rasch blickte er sich um, und tatsächlich sah er das Mädchen. Es stieg zusammen mit dem mysteriösen Kapuzenmann den Hang hinauf in die Oberstadt. Der Mann hielt sie mit der linken Hand am Oberarm gepackt und zog sie grob vorwärts. Als sie sich losreißen wollte, holte der Kerl mit der Rechten aus und schlug zu.
Bruder Adilbert zerschnitt es das Herz. Er hätte das Kind nicht fortschicken dürfen, doch jetzt war es zu spät. Bevor er ihnen folgen konnte, waren die beiden über die Kuppe verschwunden.
Rasch lief er ihnen nach, doch als er oben angelangt war, völlig außer Atem und mit schmerzenden Beinen, waren die beiden nirgends mehr zu sehen. Er verscheuchte die düsteren Gedanken an das Kind und holte tief Luft. Das war jetzt sein Abenteuer.
Ziellos ließ sich Bruder Adilbert durch die Stadt treiben, beobachtete die Menschen und genoss seine neue Freiheit. Niemand beachtete den Mönch, der, neugierig alle Eindrücke aufsammelnd, durch die Gassen streifte. Er wollte gerade wieder zurück in den Konvent, als er schließlich vor einem Haus in der Unterstadt angesprochen wurde. Eine ansehnliche junge Frauzwinkerte ihm zu und fragte, ob denn auch Mönche Männer seien?
Bruder Adilbert betrachtete das Geschöpf, das sich mit seinem gelben Kleid und den geröteten Wangen als Hübschlerin zeigte. Es war kein Mädchen, das ihn hier anlächelte. Es war eine reife Frau.
»Oh ja«, antwortete er, schlug mit der Hand gegen seinen Beutel mit Münzen und ließ sich in das Haus einladen.
11
A ls Hannah wieder erwachte, fühlte sie sich nicht nur zerschlagen, sondern gedemütigt. Ihr Gesicht, ihr ganzer Körper schmerzte, als wäre sie zwischen die Mahlsteine einer
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