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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Platz!«
    Wie eine Furie raste sie auf die Gruppe zu, die sich nicht weiter rührte. Niemand kam ihr zu Hilfe, niemand machte ihr Platz, niemand nickte ihr auch nur aufmunternd zu. Als hätten sie das Unrecht nicht gesehen, hockten alle auf ihren Plätzen und starrten auf die noch geschlossene Kirchentür.
    Hannah stolperte in die Menge hinein, erwischte den Roten mit der Faust und traf ihn an der Schulter.
    Der Rote grunzte nur. »Was willst du, Weib? Mich ärgern? Hau ab, so schnell dich deine staksigen Beine tragen können. Und komm mir nie wieder unter die Augen, wenn dir dein Leben lieb ist. Du hast es mit dem Roten zu tun. Merk dir das.« Mit einer verächtlichen Bewegung, die ihn kaum Kraft zu kosten schien, stieß er Hannah erneut die Stufen hinunter, und wieder schlug sie lang hin in den Schmutz.
    Wieder rührte sich niemand in der Menge. Alle drehten denKopf weg, als wäre nichts geschehen. Hannah schmeckte Blut auf der Lippe, und sie wusste nicht, ob es von der Wunde am Kopf stammte oder ob sie sich tatsächlich die Lippe aufgeschlagen hatte. Sie rappelte sich hoch und blickte durch einen Schleier aus Wut und Schmutz auf den Roten, der sich ihr spöttisch lächelnd zugewandt hatte und ihren Platz einnahm.

10
    J eden Tag hatte Bruder Adilbert vor dem Schrank gestanden, eine Kerze in der Hand. Und er hatte nicht den Mut gefunden, den Durchgang zu öffnen, um nachzusehen, wohin er führte.
    Er stützte sich schwer auf sein Schreibpult und schalt sich wegen seiner Feigheit. Das Leben hinter diesen Klostermauern hatte ihn untauglich gemacht für das Leben draußen. Er wusste es – doch er konnte es nicht ändern.
    Was nutzte es schon, eine Lebensbeschreibung wie die »Vita Simperti« zu kopieren, wenn man daraus nichts zu lernen verstand? Furchtlos war der Heilige einer Wölfin in den düsteren Forst gefolgt und hatte ihr nicht nur das Kind wieder entrissen, das sie verschleppt hatte, sondern sie auch noch gezähmt. In einem von Wölfen verseuchten Wald umherzustolpern, dazu gehörte Mut. Eine schmale Tür zu durchschreiten, die allenfalls in die Stadt hinausführte, dazu gehörte noch nicht einmal ein großes Maß an Überwindung. Aber selbst das brachte er nicht auf.
    Mutlos tauchte er die Feder in die Tinte und kritzelte einige schiefe Buchstaben auf das Pergament. Und er beschloss, es für heute sein zu lassen. Er würde sich nur seine schöne Abschrift verunstalten, wenn er so weitermachte.
    Bruder Adilbert drehte sich um und spürte noch den Luftzug, den die Tür verursachte, wenn sie geöffnet wurde. Der Flügel schwang auf, und er erwartete schon, den dunklen Umhang desFremden zu sehen. Doch was dort durch den Türspalt schlüpfte, ließ ihn scharf die Luft einziehen.
    Sie war hellblond, mit einem dünnen grünen Rupfen bekleidet, der gerade ihre Blöße bedeckte.
    »Wer bist du denn?«, fragte er und setzte völlig verdutzt hinzu: »Wie kommst du hierher?«
    Das Mädchen war sicher nicht älter als zwölf Jahre. Es war spindeldürr, mit Armen und Beinen wie Stecken, und doch zeigten sich erste weibliche Formen. Kein Kind mehr und noch keine Frau, dachte der Pater. Eine Kindfrau, dessen Augen ihn unsicher anblickten.
    »Ich bin Euer ... Geschenk«, flüsterte das Mädchen so leise, dass Bruder Adilbert es kaum verstand. Dennoch wusste er sofort, was sie gesagt hatte. Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
    »Wer schickt dich?«, fragte er.
    »Er sagte, Ihr wüsstet, von wem ich komme.«
    Bruder Adilbert stieß die Luft durch die Nase aus. »Oh Herr«, zischte er leise. »Was soll ich mit dir anfangen, Kind?«
    Ohne eine Miene zu verziehen, ging das Mädchen auf ihn zu, hob den Rock und bot ihm seine Weiblichkeit dar. Unter dem Rupfen trug es nichts.
    Bruder Adilbert wusste nicht, wohin er schauen sollte, so beschämt war er. Schließlich drehte er sich um und starrte in seine »Vita Simperti«, deren gerade und gleichförmige Zeilen sich ausnahmen wie die Ordnung der Welt.
    »Nimm den Rock runter!«, befahl er dem Mädchen.
    »Aber ... mögt Ihr mich nicht?«, fragte die Kleine ängstlich. Der Mönch hörte das leise Rascheln von rauem Stoff. Er drehte sich um – und da stand das Kind völlig nackt vor ihm. Bruder Adilbert spürte, wie die Männlichkeit sich bei ihm zu regen begann. »Den Verführungen der Eva ist kein Mönch gewachsen«,murmelte er halblaut, um dann lauter hinzuzusetzen: »Zieh dich an. Was soll das?«
    Plötzlich standen dem Mädchen Tränen in den Augen, und

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