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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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dazugehörte, der wurde schnell ausgestoßen, das wiederum wusste sie sehr gut.
    »Warum sollte ich die Krumme kennen?« Sie versuchte ihrer Stimme einen überlegenen Klang zu geben. »Ich habe mehrere Wochen in den Hexenlöchern gehockt. Da ist keine Freundin gekommen. Da hat mich keine Vertraute besucht. Da war ich allein. Also – nenn mir einen Grund, warum ich euch alle hier noch kennen soll?«
    Die Krumme sah sie zweifelnd an. »Vielleicht tust du gut daran, uns nicht mehr zu kennen«, sagte sie schließlich. »Jeder ist sich selbst der Nächste.«
    Hannah drehte sich brüsk von der Krummen weg. Die sollte nicht sehen, wie ihre Lippen vor Furcht zitterten. Dann – als wäre ihr eine Eingebung gekommen – drehte sie sich wieder zu ihr um. »Ich suche die Luderin. Wo ist sie?«
    »Ja, weißt du das denn nicht?«
    »Was soll ich wissen?«, fragte Hannah vorsichtig.
    Jetzt rutschte die Krumme ein Stück näher heran und setzte ein spöttisches Grinsen auf. »Vielleicht ist es doch besser, wenn man uns kennt. Dann weiß man wenigstens, was in der Stadt vor sich geht.«
    Hannah erkannte den Fehler, den sie begangen hatte. Unter diesen Menschen wurde der Zusammenhalt großgeschrieben. Jeder konnte irgendwann in eine Lage kommen, in der er Hilfe brauchte. Also gewährte man Hilfe, wo es möglich war.
    »Tut mir leid!« Niedergeschlagen nickte Hannah. »Du hast recht.«
    »Schon gut«, lenkte die Krumme ein. »Die Hexenlöcher machen einen bitter.« Sie zögerte, dann brach es regelrecht aus ihr heraus: »Man hat sie zur Sau gemacht!«
    »Man hat sie ...? Was hat man sie?« Hannahs Verblüffung war echt. Zwar hatte sie den Begriff schon gehört, gesehen hatte sie das Spektakel aber noch nie.
    »Tu nicht so, als wüsstest du nicht Bescheid. Gerade du! Sie steht angekettet vor dem Rathaus.«
    Jetzt mischte sich eine weitere Frau ein. Sie war bis auf die Knochen abgemagert, sodass man das Gefühl hatte, einem Gerippe gegenüberzustehen. Sie öffnete einen zahnlosen Mund und spie die Worte aus. »Sie hockt da mit Schweinsohren und einem Saurüssel. Beides hat man ihr umgebunden.«
    »Vor dem Rathaus?«, fragte Hannah, und als beide Frauen nickten, zog sie sich zurück. »Ach ja«, schickte sie ihrem Rückzug hinterher. »Morgen sitze ich wieder da. Da könnt ihr euch drauf verlassen.«
    »Vielleicht ist sie ja doch die Röttel«, murmelte die Krumme halblaut und sah sie forschend an. Es war das Letzte, was Hannah verstand.

    Sie machte einen langen Umweg über die Domstadt, um zum Rathaus zu gelangen. Hier oben, in der Oberstadt der Kaufleute und Händler, der Zunfthäuser und reichen Klöster, war es weniger schmutzig und angenehmer zu gehen als in der Unterstadt um Sankt Jakob. Vor allem war es trocken, und es stank nicht nach Fäulnis und Verwesung. Die Lechkanäle trugen den Nebel und die Feuchtigkeit in die Unterstadt am Hang und in die Vorstadt um Sankt Jakob. Die Menschen bewegten sich anders. Die Kleidung war eine andere. Doch die Gesichter verschlossen sich,wenn sie an den Wohlhabenden vorüberging, der Griff an den Beutel sollte dem Träger versichern, dass er noch da war.
    Nur in einem unterschied die Oberstadt sich nicht von der Unterstadt: Man ergötzte sich oben wie unten ebenso gern am Unglück und am Schaden anderer. Schon von Weitem konnte sie die johlende und grölende Menge sehen, die sich um die Unglückliche drängte. Wer den Schaden hatte, wurde verspottet und verhöhnt. Wohl auch aus Furcht, selbst einmal an dieser Stelle zu sein – und wie als wollte man einen Abwehrzauber gegen dieses Ereignis sprechen, bespuckte man den Delinquenten und bewarf ihn mit Unrat.
    Hannah drängte sich durch die Menge und schob sich mit Ellenbogenstößen und laut ausgestoßenen Flüchen durch die Menschenansammlung. Schließlich stand sie ganz vorn und konnte sehen, was dort geschah.
    Vor ihr kniete eine Frau, deren Alter sich nicht recht bestimmen ließ, denn ihr Gesicht war unter Schweinsohren und einem Schweinerüssel verschwunden. Eines der Ohren hatte noch geblutet, als man es der Luderin angelegt hatte. Es hatte einen Streifen geronnenen Blutes über ihre Wange gezogen. Man hatte sie tatsächlich zur Sau gemacht.
    Die Luderin hatte sich farbige Bänder ins Haar geflochten, und sie machte einen sehr gepflegten Eindruck. Doch sie hatte von allem zu viel: zu viel Rot auf den Wangen, zu viel Schwarz in den Haaren, zu viel Farbe in der Kleidung, zu viel Busen im Kleid. Alles erschien Hannah zu üppig und

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