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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Schwarze Liss aufmerksam. Sie wurde nicht recht schlau aus ihr. »Warum hast du mich leben lassen? Du weißt jetzt, wo das Geld liegt. Also nimm es dir.«
    Die Blicke der beiden Frauen trafen sich, und sie musterten einander lange, bis Hannah den Blick senkte. In den Zügen der Schwarzen Liss lag ein eigenartiger Ausdruck, den sie nicht zu deuten vermochte. Etwas wie Zuneigung und Ehrlichkeit lag darin und die Enttäuschung über Hannahs Frage, gepaart mit einer gewissen Berechnung. Mit diesem Blick sagte sie ihr, dass sie jeder anderen die Kehle durchgeschnitten hätte.
    Die Schwarze Liss ließ die Frage unbeantwortet. Stattdessen stellte sie fest: »Die Schwellung ist noch recht gut zu sehen.«
    Ja, Hannahs rechtes Auge war immer noch dick geschwollen. Doch der Riss in der Lippe hatte sich mittlerweile verkrustet und tat kaum mehr weh. Sie fuhr mit der Zunge darüber und dachte an den Schlag des Roten.
    »Und was jetzt? Geld oder die Luderin?«, fragte die Schwarze Liss dann.
    »Die Luderin!«, schoss es aus Hannah heraus. »Auch auf die Gefahr hin, dass die Kassette weg ist.«
    Sie rafften ihre Röcke und schoben sich durch die Zweige der Büsche vor ihnen. Nacheinander traten sie rasch auf den Weg zum Lueginsland hinaus und gingen den Zitadellenhügel hinauf, um den Garten herum, vorbei am alten Galluskirchlein, aus dem das Murmeln von Gebeten drang, und gingen schließlich vor dem Fledermausturm zum Bleichertörlein hinunter, um von dort aus zu Sankt Jakob zu gelangen.
    Hannah knurrte der Magen. Sie hatte Hunger wie noch nie in ihrem Leben. Doch die Bettlerin nahm offenbar Umwege und weniger begangene Straßen in Kauf, um zu Sankt Jakob zu gelangen. Bäcker oder gar etwas Warmes gab es auf diesem Weg nicht. So rumpelte es in Hannahs Magen vernehmlich, als sie bei der Kirche ankamen.
    Mindestens dreißig Menschen hatten sich bereits davor versammelt. Die meisten hielten als Bettelschale eine wie eine offene Hand geformte Jakobsmuschel hoch und stützten sich auf ihren Pilgerstab. Muschel und Stab waren die üblichen Zeichen für ihre Pilgerfahrt. Sie waren vermutlich auf dem Weg nach Santiago de Compostela in Spanien und holten sich in der Frühe den letzten Segen auf ihrem Weg. Schließlich war die Jakobskirche eine der Stationen auf diesem Weg nach Süden.
    »Was ist die Luderin für eine?«, fragte Hannah.
    Die Schwarze Liss schürzte die Lippen. »Sie muss die Hand nicht mehr selbst aufhalten. Sie lässt sie aufhalten und kassiert ab. Aber sie steht nicht deswegen da. Hier gibt es Männer. Und Männer haben Bedürfnisse.«
    »Sie bietet sich Männern an.« Hannah konnte ihren Abscheu nicht verbergen.
    »Nicht nur sich selbst. Sie vermittelt auch ihre Mädchen an Männer. Für ein kleines Entgelt.« Die Schwarze Liss stemmte die Hände in die Hüften. »Den Rest musst du machen, Kindchen. Geh zu ihr hin, frag sie, was du wissen willst, aber lass dich nicht mit ihr ein, sonst musst du für sie arbeiten.«
    Hannah wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Mit solchen Menschen hatte sie niemals zu tun haben wollen.
    »Ist die Luderin denn da?«, fragte Hannah unsicher, doch die Schwarze Liss schüttelte nur bedauernd den Kopf.
    »Frag die anderen, wo sie abgeblieben ist«, sagte sie. »Und schau, dass du nicht wieder verlierst.«
    Hannah drängelte sich zu ihrem Platz durch, den sie als Röttel einnehmen durfte. Die Bettler murrten unwillig, doch sie drehte sich nur kurz um und fauchte sie an wie eine Katze: »Ich bin die Röttel. Der Platz steht mir zu.«
    Die Bettler neben und hinter ihr verstummten sofort.
    Nur gleich neben ihr kicherte eine der Frauen spöttisch. »Wenn du die Röttel bist, dann bin ich der Stadtpfleger von Augsburg.«
    »Wer sagt etwas anders?«, fuhr Hannah sie an.
    »Du hast weder ihre Stimme noch ihren Körper. Ob das Gesicht dasselbe ist, kann ich nicht erkennen, dazu ist es zu rot und zu zerschunden. Aber in wenigen Wochen weiß man auch das.«
    »Und wer bist du?«, fragte Hannah barsch und wusste sofort, dass sie das nicht hätte fragen dürfen.
    »Die Röttel kennt mich nicht mehr? Die Röttel kennt die Krumme nicht mehr?« Sie beugte sich zu Hannah herüber undzischte nahe an ihrem Ohr. »Wenn du schon behauptest, du wärst die Röttel, dann solltest du möglichst schnell dazutun, ihre Freundinnen und Vertrauten kennenzulernen.«
    Hannah bewegte sich in dieser Gesellschaft auf dünnem Eis. Jede Bemerkung, jede Frage, jede Antwort verriet, dass sie nicht dazugehörte. Und wer nicht

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