Full House: Liebeserklärung an die Chaosfamilie (German Edition)
du eiskalt zu mir, wahrscheinlich bin ich dir zu fett, und du vögelst eine andere!« belohnt. Aber das ist okay, wenn man bedenkt, wie viele Hormone sich in diesem Moment bei ihr tummeln.
Am Empfang angekommen, mustert mich eine ältereKrankenschwester streng, um nicht zu sagen abfällig. Ich kann es ihr nicht verdenken, denn vertrauenerweckend sehe ich mit meiner dunklen Brille, dem zerknitterten Trenchcoat und den schmutzigen, schlammverschmierten Schuhen wirklich nicht aus. Irgendwie mehr so nach Mafia-Killer. Nach getaner Arbeit. Die Leiche steht in einem Betonklotz im See, und nebenbei liefere ich noch schnell die hochschwangere Ehefrau im Krankenhaus ab.
»Und?«, sagt die Schwester mit rauer Stimme. Plötzlich kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir vielleicht am falschen Eingang gelandet sind. Ob das wohl die geschlossene Psychiatrie ist und gleich zwei Männer in weißen Kitteln angerannt kommen, um mir eine Zwangsjacke anzulegen? Die Schwester räuspert sich laut und fragt Beate: »Ist das der Taxifahrer oder Ihr Vater?«
Nun ist aber gut, denke ich mir und überlege schon, welche unflätige Antwort ich auf Lager habe, als mir Bea zuvorkommt: »Reden Sie keinen Scheiß! Das ist mein Mann, und ich bekomme jede Sekunde unser Kind! Also sitzen Sie hier nicht rum und machen dumme Bemerkungen, sondern rufen Sie sofort den Stationsarzt!«
Das ist sie, meine Frau, immer auf den Punkt, und dafür liebe ich sie.
Plötzlich geht alles ganz schnell. Zwei Schwestern führen meine Frau in ein Krankenzimmer, um alles vorzubereiten, und erstaunlicherweise lassen sie mich mitgehen.
Minuten später liegt Bea im Kreißsaal, und auch dorthin darf ich sie begleiten. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass mich die Leute in der Klinik nicht wirklich ernst nehmen. Man reicht mir einen rosa Kittel und ein lächerliches rosa Käppi. Wenigstens sind die Schlappen weiß. Nunhabe ich plötzlich eine Horrorvision. Man stelle sich vor: Meine Tochter erblickt das Licht der Welt, und das Erste, was sie sieht, ist ein Mann ganz in Rosa gekleidet, mit wirren Haaren und einer dunklen Sonnenbrille. Und man sagt ihr, er sei ihr Vater. Das wäre für das arme Kind ein tiefer Schock, den es nie mehr vergessen würde. Womöglich würde das ihr Männerbild für immer prägen. Mein Vater sieht aus wie ein Mafioso in Drag.
Bea sieht kurz zu mir rüber und verkneift sich mühsam ein Grinsen, bevor sie wieder von Schmerzen übermannt wird. Ich wünschte, ich könnte ihr helfen, aber plötzlich wird mir ganz schwindlig. Warum muss Bea so leiden? Warum macht es so viel Spaß, wenn das Baby reingeht, und tut so verdammt weh, wenn es wieder rauskommt? Andersrum wäre es doch viel besser, und vermutlich wäre die Erde nicht so übervölkert.
Plötzlich beginnt sich in meinem Kopf alles zu drehen.
»O Gott, mir wird schlecht« ist das Letzte, woran ichmich erinnere, bevor ich mit der Stirn auf dem Boden aufschlage.
Ja, ich gebe es zu, ich habe die Geburt meiner Tochter nicht mitbekommen. Nein, ich habe sie verschlafen. Ich liege mit vier Stichen auf der Stirn auf einer Liege in einem zugigen Gang. Alle, die an mir vorbeigehen, tuscheln, flüstern und lachen. Anscheinend wissen die mehr als ich. Ich scheine das Gespött der Klinik geworden zu sein. Ehrlich, ich kann mir eigentlich gar nicht erklären, warum. Wieso bin ich umgefallen? Wahrscheinlich hat mich der Arzt im Kreißsaal angerempelt und zu Boden gestoßen.
Egal, jetzt will ich zu meiner Frau und zu unserem Baby, und schon kommt eine Schwester auf mich zu. Lächelt sie freundlich, oder ist das ebenfalls ein belustigtes Grinsen?
Es ist ein Grinsen, und gleich wird sie mich auch noch demütigen.
»So, Herr Richter, Sie sind mir ja ein Held. Ihre Frau ist schon wach und wartet oben in ihrem Zimmer auf Sie. Ich bringe Sie jetzt zu ihr.«
Wenige Minuten später schiebt sie meine Liege in das Krankenzimmer und stellt sie neben das Bett meiner Frau.
Da liege ich nun im rosa Kittel (gottlob ohne Käppi) und mit dunkler Sonnenbrille neben meiner Frau.
Wenn jetzt die Tür aufgeht und meine Schwiegereltern reinkommen und uns so sehen, werde ich vor Scham ohnmächtig. Fehlt nur noch die süffisante Frage meiner Schwiegermutter: »Und wer von euch hat jetzt das Kind gekriegt?«
Klar, wie sollte es anders sein? Es klopft, und die Tür öffnet sich.
Aber dieses Mal habe ich Glück. Es ist eine Krankenschwester, die unsere Tochter Clara bringt. Behutsam legtsie das kleine rosa Bündel
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