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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Rechtsmedizinerin, die in der Nacht zum Samstag am Leichenfundort gewesen war. Sie begann zu referieren, und augenblicklich herrschte gespannte Ruhe im Besprechungsraum.
    »Die dem Opfer zugefügten Verletzungen sind ausschließlich vitalen Ursprungs«, sagte sie gerade. »Der Dynamik nach offensichtlich Kampfspuren.«
    »Und die genaue Todesursache?« fragte eine Kollegin.
    »Tod durch Einwirkung auf die Atemwege. Sie ist erwürgt worden. Wir haben stark ausgeprägte Erstickungserscheinungen und Stauungszeichen im Kopfbereich. Darüber hinaus kam es zu einer Fraktur des Kehlkopfskelettes und des Zungenbeins.«
    Michael lehnte sich zu seinem Nachbarn, einem jungen Kriminalmeister, der bis zur Verkleinerung des Teams im Januar zum engen Kreis gehört hatte.
    »Was macht denn die Freythal hier?« fragte er leise.
    »Die war wohl ohnehin gerade im Haus«, flüsterte er zurück. »Und da ist sie gleich mit in die Sitzung gegangen.«
    »Und wieso war die ohnehin im Haus?«
    Er zuckte mit den Schultern und konzentrierte sich wieder auf die Ärztin. Michael sah zu Wolfgang hinüber und betrachtete ihn nachdenklich. Zu gern hätte er ihm in die Augen gesehen und fragend auf die Medizinerin gedeutet. Doch Wolfgang beachtete ihn nicht, er starrte mit ausdruckslosem Gesicht auf die Tischplatte.
    Hinter Dr. Freythal waren die Tagesordnungspunkte auf ein Whiteboard geschrieben. Sie waren recht unleserlich, doch er fand schnell heraus, daß sie beim vierten Punkt angelangt waren: Bericht der Rechtsmedizin. Bislang war in der Sitzung offensichtlich nur die Wiederholung der Pankower Morde abgehandelt worden. Er hatte nicht allzuviel verpaßt.
    Die beiden Taten in Pankow ähnelten einander bis ins kleinste Detail. Der sogenannte Modus operandi, die Art und Weise der Vorbereitung und Durchführung der Morde, war absolut gleich. Bei beiden Frauen hatte der Täter ihre Arbeitsund Freizeitwege gekannt, er war beiden in der Nähe öffentlicher Grünanlagen aufgelauert, hatte sie überfallartig angegriffen und sie mit einem Stück Wäscheleine, das er am Tatort hinterließ, erdrosselt. Nach ihrem Tod hatte er ihnen den Slip heruntergerissen und masturbiert, so daß sich auf Bauch und Beinen der Opfer Spermaspuren befanden.
    Michael entdeckte hinter dem dritten Punkt auf der Tagesordnung seinen Namen: Stand der laufenden Ermittlungen. Offenbar war Wolfgang wieder einmal für ihn eingesprungen.
    Dr. Freythal hatte ihren Vortrag beendet, alle Fragen beantwortet und setzte sich wieder neben Wolfgang. Der wartete kurz, ehe er sich vorbeugte und in die Runde sah.
    »Also gut«, sagte er. »Punkt Fallbeurteilung.«
    Er stand auf und stellte sich vor ein Flipchart.
    »Eines vorab«, fügte er hinzu. »Unser größtes Problem ist wieder einmal, daß es auch an der Jannowitzbrücke keine Zeugen zu geben scheint. Als erstes werden wir vier Teams zusammenstellen, die sich durch die benachbarten Plattenbauten arbeiten werden. Vielleicht hat ja doch jemand am Fenster gestanden. Drei Teams für die Hinweise aus der Bevölkerung. Die Hotline wird in einer Stunde geschaltet. Möglicherweise ist etwas Brauchbares dabei. Zu befürchten ist allerdings, daß der Täter auch dieses Mal sorgfältig genug vorgegangen ist, um Zeugen zu vermeiden. Wenn unsere Spuren jedoch keine weiteren Hinweise ergeben, dann stochern wir wieder im Nichts.«
    Er seufzte und nahm einen Filzschreiber in die Hand.
    »Deshalb will ich gleich mit dem auffälligsten Punkt beginnen«, sagte er. »Denn dieses Mal ist etwas anders gelaufen. Der Modus operandi hat sich geändert. Die Planung und Vorbereitung der Tat scheinen, wie immer, sorgfältig durchdacht. Aber dann ändert sich etwas. Der Mord verläuft anders, und es gibt offenbar keinen Hinweis auf ein Sexualdelikt.«
    Wolfgang sah zu Gerhard Pohl, dem Fallanalytiker, hinüber und nickte ihm zu.
    »Erklärungsmöglichkeiten gibt es mehr als genug«, sagte Pohl.
    »Auch welche, die uns weiterbringen?« erkundigte sich Wolfgang.
    Der Fallanalytiker zuckte mit den Schultern. »Das Opfer kann sich so stark gewehrt haben, daß es den sexuellen Phantasien des Täters nicht mehr entsprach«, sagte er. »Somit konnte er sich an der Situation nicht mehr erregen. Oder aber der Widerstand war für ihn so erregend, daß er vorzeitig einen Höhepunkt bekam und das Ejakulat in die Hose ging.«
    Niemand sagte etwas, einige grinsten. »Des weiteren ist es möglich«, fuhr er fort, »daß er während der Tat gestört wurde und deshalb von seinem

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