Fundort Jannowitzbrücke
Muster abweichen mußte.«
»Doch das alles bringt uns ohne Zeugen auch nicht weiter«, brummte Wolfgang Herzberger.
Dr. Freythal beugte sich zwischen die beiden Männer. »Das Opfer war kräftig und in guter Kondition«, sagte sie. »Es war wesentlich stärker als die Opfer in Pankow. Das könnte erklären, wie es zu solch einer Wendung kam.«
»Aber genau das ist das Ungewöhnliche«, sagte der Fallanalytiker. »Dieser Umstand wirft mehr Fragen auf, als er Antworten gibt.«
Dr. Freythal sah ihn überrascht an.
»Die Änderung der Arbeitsweise ist an sich nichts Ungewöhnliches«, erklärte er. »Der Modus operandi kann sich sogar weiterentwickeln, der Täter kann aus seinen Taten lernen und zur Optimierung seiner Bedürfnisbefriedigung die Vorgehensweise ändern. Aber viel erstaunlicher ist hier die Wahl seines Opfers.«
»Inwiefern?«
»Noch mehr als seine Vorgehensweise ähnelten sich seine Opfer. Die beiden jungen Frauen aus Pankow waren klein, unauffällig, alleinlebend. Sie waren unsicher im Umgang mit anderen Menschen, hatten wenig soziale Kontakte und führten ein sehr zurückgezogenes Leben, trotz ihres jugendlichen Alters. Bettina Nowack war jedoch kräftig und nach dem bisherigen Stand der Ermittlung beliebt und lebensfroh.
Was kann ihn also bewogen haben, sich dieses Opfer zu wählen?«
Wolfgang zögerte einen Moment. »Er könnte sich von seinen Erfolgen ermuntert gesehen haben, ein größeres Risiko einzugehen.«
Der Fallanalytiker schüttelte den Kopf. »Ich habe ein anderes Bild vor Augen. Das Opfer hätte eine andere Ausstrahlung haben müssen. Verzeihen Sie mir, wenn es etwas pathetisch klingt. Aber ich glaube, er muß den Frauen ihre Einsamkeit ansehen können.«
»Und was bedeutet das?«
»Es ist nur eine Vermutung«, sagte Gerhard Pohl. »Bei dem Mord könnte es sich dieses Mal um eine Beziehungstat gehandelt haben.«
»Das Opfer könnte aus dem direkten Umfeld des Täters stammen?«
»Es wäre möglich. Der Täter hat durch seine Taten die Schwelle überschritten. Er hat das Morden gelernt. Jetzt könnte er es auch zur Lösung von Konflikten in seinem Umfeld einsetzen.«
»Es ist zumindest eine Möglichkeit«, sagte Wolfgang und blickte träge in die Runde. »Und es würde bedeuten, daß wir das erste Mal eine Spur hätten, die wir verfolgen können. Familie, Freunde und ihren Arbeitsplatz im Burger Point.« Er setzte den Stift an und notierte die einzelnen Punkte auf dem Flipchart.
»Also beschäftigen wir uns mit dem Schwerpunkt Beziehungstat«, sagte er, legte den Stift beiseite und wühlte in den Akten, die auf dem Tisch lagen. »Die Kollegen der Achten Mordkommission haben die Ermittlungen begonnen. Am Anfang stand noch nicht fest, daß es sich um unseren Täter handelt.«
Er zog ein Papier aus den Unterlagen hervor. »Nach dem Bericht war das Opfer überaus beliebt. Keine Feinde, keine Verflossenen, keine gekränkten Verehrer. Zunächst wurden die Mutter und der Bruder des Opfers befragt. Allerdings hatte die Mutter während der Befragung einen Zusammenbruch und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Die recht dürftigen Aussagen der Familie sind nur vorläufig. Die Mutter, Irmgard Nowack, und der Bruder Olaf werden heute nachmittag noch zur Vernehmung hier ins Haus kommen. Dann wurden noch die Kolleginnen und Kollegen aus dem Burger Point befragt. Sie war sehr beliebt, nicht nur im Team, auch bei den Gästen.«
»Hatte sie einen Freund?« fragte jemand aus der hinteren Reihe.
»Der fährt gerade mit dem Motorrad durch die USA«, sagte Wolfgang. »Falls er zwischenzeitlich nicht überfallen und ausgeraubt wurde. Man hat seit einer Woche nichts mehr von ihm gehört.«
»Auffällige Stammgäste?« fragte der Kollege weiter.
»Der Burger Point liegt direkt am Alexanderplatz«, sagte Wolfgang tonlos. »Die Mädchen an den Kassen sehen dort an jedem einzelnen Tag mehr auffällige Menschen als wir in unserem gesamten Berufsleben.« Er sah von den Unterlagen auf. »Dennoch werden wir dem nachgehen. Ein Team soll sich dort umsehen. Lest noch mal den Bericht, vielleicht seht ihr euch auch einzelne Mitarbeiter genauer an.«
Er zögerte. »Zudem schlage ich vor, unter den männlichen Mitarbeitern einen freiwilligen Speicheltest durchzuführen.«
»Ist das nicht ein bißchen früh?« meinte Michael. Es war sein erster Beitrag in der Sitzung, seine Stimme war belegt, und er mußte sich mehrmals räuspern. Wolfgang antwortete ihm mit einem langen Blick und fuhr nach einiger Zeit
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