Fundort Jannowitzbrücke
Lenkrad, drückte wütend die Autotür auf und stieg aus. Es hatte keinen Zweck. Der Golf würde an diesem Morgen nicht anspringen. Michael würde wieder einmal zu spät ins Büro kommen.
Das entspannte Gefühl, mit dem er am Vorabend eingeschlafen war, hatte sich schon wieder verflüchtigt. Er konnte sich kaum mehr daran erinnern. Er hatte den Sonntag genutzt, um mit dem Wagen hinauszufahren. Irgendwo hatte er die Avus verlassen und war ziellos über brandenburgische Dörfer gefahren. Ohne Karte, einfach immer geradeaus. Der Regen war an den Scheiben hinuntergelaufen, und das leise Motorengeräusch hatte ihn weitab vom Lärm der Stadt ins Träumen versetzt.
Etwas Besseres konnte er sich für einen Sonntag nicht vorstellen.
Mit schnellen Schritten verließ er das ruhige Villenviertel. Es waren nur wenige hundert Meter bis zur nächsten U-Bahn. Doch die Fahrt in die Schöneberger Keithstraße würde eine Ewigkeit dauern.
Er hatte gerade den Eingang erreicht, da stockte er. Ungläubig starrte er auf die Auslage eines Kiosks. Die Schlagzeile des Berliner Kuriers war meterweit deutlich zu erkennen: »Würger von Pankow schlägt wieder zu!«
Er trat näher. Als erstes erkannte er auf dem riesigen Titelfoto seinen Golf. Er stand links unten im Bild, am Rand der nächtlichen Alexanderstraße. Die dunkelviolette Motorhaube reflektierte das Blitzlicht der Kamera. Darüber lag hell erleuchtet der Fundort der Leiche. Michael fragte sich, warum er den Fotografen nicht bemerkt hatte, und gestand sich wieder einmal ein, daß die Leute von der Presse manchmal tatsächlich schneller waren, als ein Polizist es sich vorstellen konnte.
Neben den Fundort war das Foto eines jungen Mädchens montiert, es lächelte ihn aus einem vergrößerten Paßbild an. Bettina Nowack. Ihm fiel auf, daß er Samstagnacht nicht einmal ihren Namen erfragt hatte.
Michael sah sich um und hastete zu den Münzfernsprechern, die unter dem Vordach des U-Bahnhofs aufgestellt waren. Nach dem zweiten Ton nahm Frau Schrade, die Sekretärin in der Außenstelle des LKA, den Anruf entgegen.
»Haben wir ein neues Opfer?« fragte Michael erstaunt.
»Wissen Sie das etwa nicht? Der Herr hat sich am Sonntag also nicht stören lassen.«
Michael erinnerte sich. Als er am späten Sonntagabend nach Hause gekommen war, hatte er seinen Anrufbeantworter auf dem Fußboden übersehen und war darübergestolpert. Das Kabel wurde aus der Wand gerissen, und alle Nachrichten waren gelöscht.
»Ich habe es auch auf Ihrem Handy probiert«, sagte Frau Schrade. »Doch das klingelte dann auf Ihrem Schreibtisch.«
»Ich dachte, unsere Soko hat mit diesem Fall nichts zu tun?«
Frau Schrade seufzte. »Sie haben Hautabschürfungen unter den Fingernägeln des Opfers gefunden und ins Labor gegeben«, sagte sie. »Die DNA-Analyse hat gezeigt, daß es sich um den Täter aus Pankow handelt.«
»Ich beeile mich«, sagte er schnell. »Ich bin in einer halben Stunde da.«
»Na, das wird Ihnen nicht viel helfen, Herr Schöne. Die Dienstbesprechung geht in fünf Minuten los. Es sind schon alle da, und Herr Herzberger hat bereits nach Ihnen gefragt.«
Michael hängte ein und betrachtete nachdenklich den dichten Verkehr auf der Treskowallee. Er fragte sich, wieviel Schlaf sein Chef seit dem Leichenfund bekommen haben mochte. Dann kaufte er sich eine Zeitung und winkte ein Taxi heran.
Würger von Pankow schlägt wieder zu!
Sein neues Opfer fand er in Mitte/Ist jetzt die ganze Stadt sein Jagdrevier?/Berlins Frauen in Angst
Berlin – Samstagnacht, kurz nach zwölf: Die ahnungslose Bettina Nowack befindet sich auf dem Weg nach Hause. Sie hat einen harten Arbeitstag hinter sich, als Kassiererin im Burger Point kann die Schicht auch einmal bis tief in die Nacht dauern. Ihr Weg führt sie vorbei an dem dunklen Parkareal an der Alexanderstraße. Bäume, Büsche und finstere Ecken bieten ideale Verstecke. Dort lauert er ihr auf – und schlägt zu. Die 18jährige Bettina hat keine Chance, sie wird das dritte Opfer des Würgers von Pankow.
Ein Alptraum für die Familie. Die Mutter wird von der Polizei nach einem Zusammenbruch in die Charite gebracht. »Ich kann meine Gefühle nicht beschreiben«, sagt der Bruder unter Tränen. »Sie war doch immer so lebenslustig. Wie sollen wir nur damit fertigwerden?«
Die Polizei steht wieder vor unlösbaren Problemen. Es gibt keine Zeugen, keine Spuren. Hat der Würger nun gänzlich freies Spiel? »Jeder Tatort hinterläßt neue Hinweise«, so
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