Funkelnd wie ein Diamant
schob seine Hand so heftig fort, dass sie fast über den Kaminsockel gestolpert wäre.
Fluchend packte er sie, bevor sie hinfallen konnte.
„Wusstest du wirklich nicht, wer ich bin?“, fragte er, und sein Griff war so fest, dass er ihr fast wehtat.
„Nein. Natürlich nicht. Ich habe es dir doch gesagt. Ich dachte, du bist nur ein Cowboy. Ich dachte …“
„Was dachtest du?“
„Nichts.“ Sie errötete. Was für ein attraktiver Mann, hatte sie gedacht, ein gut aussehender, ganz normaler Mann. Und daran, was sie sich von ihm gewünscht hatte. Was sie ihn tun lassen würde, wenn er es wollte.
Du meine Güte, was sie ihm schon jetzt erlaubt hatte …
Was sie sich hier, im Blockhaus zwischen ihnen beiden vorgestellt hatte …
Paige schluckte. Sie war froh, dass zwischen ihnen nicht mehr passiert war. Und doch …
Sie konnte nicht glauben, dass er ein Foley war.
Natürlich war sie ihm irgendwann einmal vorgestellt worden. Kein Mädchen verkehrte ihr Leben lang in der High Society von Texas, ohne den Foleys zu begegnen, auch wenn die beiden Familien seit dem Bürgerkrieg verfeindet waren.
Also hatten sie einander wahrscheinlich bei allen möglichen gesellschaftlichen Anlässen, auf Charity-Galas oder in der Residenz des Gouverneurs, höflich, aber mit eisigem Gesicht die Hand gegeben. Es waren drei Brüder, alle jung, wohlhabend, arrogant und unverschämt attraktiv. Sie sah sie vor sich, in einer Reihe, in schwarzen Smokings und gestärkten weißen Hemden, als gehörte ihnen alles, worauf ihr herablassender Blick fiel.
Die Familienfehde hatte Paige nie besonders interessiert. Ihr war es gleichgültig gewesen, ob sie beendet wurde oder bis in alle Ewigkeit weiterging. Sie war nur mit den Geschichten darüber aufgewachsen, wie übel seine Familie ihrer mitgespielt hatte, und hatte um ihn und seinen ganzen Clan einen möglichst weiten Bogen gemacht.
Sicher, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ, hatte sie ihm die Hand geschüttelt, um eine peinliche Szene zu vermeiden. Aber darüber hinaus hatten die Foleys sie nicht interessiert – bis in diesem Sommer das schreckliche Geheimnis ihrer Mutter ans Licht gekommen war.
Dass ihre Mutter früher einmal seinen Vater Rex Foley geliebt hatte. Aus reiner Neugier hatte sie im Internet nach Fotos von ihm gesucht. Von dem Mann, der mit ihrer Mutter geschlafen hatte. Dem Mann, von dem ihre Mutter ein Kind bekommen hatte. Paiges jüngsten Bruder Charlie.
Wie konnte das sein?
Sie konnte es noch immer nicht fassen. Das ergab alles keinen Sinn …
Stundenlang hatte sie auf die Fotos von Rex Foley gestarrt und versucht, eine Ähnlichkeit zwischen ihm und ihrem Bruder zu sehen. Wie hatten die beiden es bloß geschafft, dieses Geheimnis so lange zu bewahren?
Eigentlich hätte sie Travis Foley sofort erkennen müssen. Aber sie hatte ihn nur im Smoking und mit blasiertem Gesicht gesehen. Es mochte Frauen geben, bei denen dieser kühle, routinierte Charme wirkte. Paige ließen solche Männer kalt. Sie waren ihr zu unwirklich.
Aber der Mann, der übers Land geritten und ihr in die Mine gefolgt war … Der war ihr interessant und sehr wirklich erschienen.
So anders als der Travis Foley, dem sie bisher begegnet war.
Verschwitzt, staubig, in verwaschenen Jeans und abgetragenen Stiefeln.
Ein Mann, der arbeitete. Richtig arbeitete.
Und der im Moment wütend auf sie war.
„Was ist?“, fragte sie verwirrt, als er schwieg.
„Du hast gesagt, du dachtest, ich wäre ein Cowboy. Ich wäre … was? Was wolltest du sagen?“
Dass es schön wäre, jemanden, der so aussieht wie du, in meinem Leben zu haben. Dass ich einsam war. Dass es schon lange keinen besonderen Mann mehr für mich gibt und …
Was spielte es denn noch für eine Rolle, was sie gedacht hatte?
Aus ihnen konnte nichts werden.
Er war Travis Foley.
„Ich dachte, du siehst aus wie ein netter Kerl“, sagte sie mit einem bitteren Lachen. „Wie absurd ist das denn?“
Damit schien er sich zufriedenzugeben. Wenigstens vorläufig.
Jeder zog sich in eine Ecke des kleinen Raums zurück. Er überließ ihr den Platz neben dem Kamin, damit sie sich weiter aufwärmen konnte, und brütete neben dem Bett vor sich hin.
Es war ein Einzelbett, vielleicht eins für anderthalb Personen, falls es so etwas gab.
Paige wandte den Blick ab. Sie musste vergessen, was am Abend zuvor zwischen ihnen geschehen war. Sie musste es komplett aus dem Gedächtnis löschen. Es hatte nichts zu bedeuten, war nur ein Flirt … nun ja …
Weitere Kostenlose Bücher