funny girl
bekommen schon Morddrohungen? Also ich würde jemanden umbringen für eine Morddrohung.«
»Da hast du’s, Deniz. Gerade hast du einen Witz gemacht. Und du sagst immer, du willst das nicht.«
»Also. Machen wir weiter? Oder nicht?«
Sie nickte. Fürs Erste würden sie weitermachen.
Er ging. In der leeren Wohnung kam sie sich sehr verletzlich vor. Verängstigt ging sie noch zweimal ins Wohnzimmer, schob am Fenster zur Straße den Vorhang zurück, um nachzusehen, ob dort jemand stand und das Haus beobachtete; dann machte sie sich bettfertig, setzte sich aufs Sofa und rief ihre Eltern an.
Ihre Mutter ging ran.
»Du sollst hier nicht anrufen.«
Dann wurde aufgelegt.
10
Zwei Abende später stand sie zum dritten Mal auf der Bühne. Unter ihrer Burka musste sie zwar nach wie vor gegen ihre Nervosität ankämpfen, aber sie lieferte ihren bisher besten Auftritt. Einige ältere Witze hatte sie verbessert, und sie traute sich sogar, neue zu improvisieren, was ihren Auftritt spontaner machte. Und überraschend gut beim Publikum ankam.
Zurück in der Garderobe, saß sie vor dem großen Spiegel, entfernte die dicke Wimperntusche, an der man sie vielleicht draußen erkannt hätte, und hörte über Lautsprecher dem Auftritt von Johnny TKO zu. Er war wirklich gut, wie immer. Wirklich gut. Er hatte so viel mehr Talent als sie. Das Publikum fraß ihm vom ersten Augenblick an aus der Hand. Sie war froh, dass an dem Abend ein Komiker auftrat, den sie kannte, auch wenn er im Kurs grob zu ihr gewesen war. So fühlte sie sich nicht ganz so allein.
Es war ein Abend mit »jungen Talenten«. Und sie stand ganz oben auf dem Plakat! Das musste man sich mal vorstellen. Jetzt schon die Hauptattraktion. Das war lächerlich, gerade wenn jemand wie Johnny mit auftrat, der sich heute selbst übertraf und die Leute wirklich sprachlos machte. Aber sie war mit ihrer Burka auf der Überholspur, und was konnte sie dagegen tun, dass die Leute sie aufregend, neu und anders fanden?
JOHNNY : …Heutzutage machen sich die Leute vollkommen verrückt, wenn es um ihre Gesundheit geht. Als ob ein gesundes Leben sie retten würde. »Mach das nicht, das ist nicht gut für dich; iss jenes nicht, davon bekommst du Krebs.« Und wir glauben den ganzen Mist. »Trinken Sie 85 Liter Wasser pro Tag.« Aber dann heißt es in der Zeitung: »Mann stirbt nach Genuss von 85 Litern Wasser«. Und dann: »Zeitung entschuldigt sich für Druckfehler – 8,5 Liter!« Meiner Meinung nach wird Gesundheit überschätzt. Was heißt das schon, wenn man gesund ist? Nur dass man in Zeitlupe stirbt. Schön, wenn ihr gesund seid, freut euch drüber, aber das ändert überhaupt nichts. Es dauert nur länger, bis das Unvermeidliche kommt. Und was hat es für einen Sinn, wenn man sich mit einer gesunden Lebensweise dermaßen quält, dass das Leben gar nicht mehr lebenswert ist? Wir haben die Wahl. Wir können uns entscheiden! Ein langes elendes Leben aus lauter »Nein« oder ein kurzes glückliches, in dem man sagt: »O ja, bitte gern – und dazu bitte die extragroße Portion Fritten, wo wir schon mal dabei sind!« Wir entscheiden das. Ich persönlich ziehe es vor, mich ständig unwohl zu fühlen, immer ein kleines bisschen wie verkatert. In so einer Verfassung kann man sich nämlich alles erlauben und fühlt sich nicht sofort schlechter dadurch. Außerdem ist ein langes, gesundes Leben, bis in die Neunziger oder sogar über die Hundert hinaus, egoistisch, und man ist am Ende ja auch ziemlich ekelhaft. Das ist hässlich. Tretet endlich ab, ihr verschrumpelten hässlichen Arschlöcher, verstänkert uns nicht alles! Macht Platz für jemanden, der noch Kollagen hat, Gedächtnis, noch sehen und hören kann, der noch Erektionen oder Scheidensekrete hat, guten Musikgeschmack, Kaufkraft und Schließmuskeln.
(Ein begeisterter Juchzer aus dem Publikum.)
Die Ökonomen sind ganz meiner Meinung. Wir steuern auf eine Katastrophe zu mit diesem ganzen Gesundheitswahn. Die Leute leben so lange, es gibt nicht genug zu essen, nicht genug Wohnungen, nicht genug sauberes Wasser und Seniorenpässe für den Bus für so viele. Wer will schon eine Welt voller schlaffer grauhaariger Vegetarier, die sich hartnäckig weigern, Selbstmord zu begehen? Ihr alten Knacker da draußen, hier ist ein guter Rat: Bringt euch um! Fliegt in die Schweiz, bringt euch um. Ihr denkt, ich mache Witze? Ich mache keine Witze. Kriege? Auf die kann man sich in Sachen Bevölkerungskontrolle heute nicht mehr verlassen. Wir
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