funny girl
Schwiegermutter wählte ausgerechnet diesen Augenblick, um hereinzukommen und sich nach dem Grund für das Geschrei zu erkundigen; worauf Banu aufsprang, zur Wohnzimmertür zeigte und zeterte: »Raus! Bitte! Kann ich denn nie für mich sein? Ein einziges Mal?«
Der sichtlich schockierten Schwiegermutter blieb nichts anderes übrig, als auf dem Absatz kehrtzumachen und den Raum zu verlassen.
Als Banu sich zu ihrer Freundin auf der modernen Couch umdrehte, sah sie, dass Azime überraschender- und unlogischer-, aber auch typischerweise … lächelte.
»Sie lebt«, stellte Azime fest. »Die alte Banu lebt noch.«
Banu setzte sich, und ihr Ärger verflog. »Ich mach mir einfach Sorgen um dich, das ist es.«
»Ich mach mir auch Sorgen um dich.«
»Schön«, gab Banu zurück. »Ich bin froh, dass wenigstens einer das tut.«
Azime schlang den Arm um die junge Frau, die sie fast schon ihr ganzes Leben kannte. »Alles wird gut, und wenn nicht, dann helfe ich dir, damit trotzdem alles gut wird. Rede mit mir. Hör nicht auf. Selbst wenn deine Schwiegermutter mich aus der Gemeinschaft der Muslime ausschließen will, schließ du mich nicht auch aus. Warte, ich geb dir meine neue Handynummer.«
Als Azime ihr die neue Nummer diktierte, kam Banu darauf zu sprechen, wie sie früher immer die Nummern ihrer nicht-muslimischen Freundinnen in der Kontaktliste ihrer Handys mit einem Code verschlüsselt hatten. »Weißt du noch? Wir haben jede Ziffer von 10 abgezogen, so dass aus einer 9 eine 1 wurde und aus einer 1 eine 9 und so weiter. Wir hatten panische Angst, unsere Eltern könnten rauskriegen, dass wir nicht-muslimische Freundinnen hatten.«
0 802 354 6785
Dekodiert war die Telefonnummer aus dem Tagebuch eine Hotline für Opfer von häuslicher Gewalt, betrieben von der IKWRO , der Iranian and Kurdish Women’s Rights Organisation, einer Organisation, die auf ihrer Website Hilfe für iranische und kurdische Frauen anbot, die im häuslichen Umfeld oder aus Gründen der Ehre von Gewalt, Vergewaltigung, Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung bedroht waren.
Im Bus, auf dem Weg zu ihrem Auftritt, bei dem sie Witze vor Fremden erzählen würde, schaltete Azime ihr Handy aus. Ihr Gesicht war heiß und gerötet. Mit ihren gerade einmal zwanzig Jahren fühlte sie sich plötzlich uralt.
Aristot Gevaş saß an seinem Computer und arbeitete länger als üblich. Jetzt, wo seine Tochter fort war und die Geschäfte so schlecht gingen, dass er keinen Ersatz einstellen konnte, den er mit vollem Lohn hätte bezahlen müssen, blieb ihm keine andere Wahl: Er musste Überstunden machen und versuchen, die Geschäftskonten selbst auf dem aktuellen Stand zu halten.
Aber er kannte sich mit dem Computer nicht aus. Und das war noch untertrieben. Was Azime in Sekundenschnelle erledigt hätte, kostete ihn eine Stunde. Die Brille auf der Nasenspitze, starrte er mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm voll mit Dokumenten, deren Namen ihm nicht den leisesten Anhaltspunkt lieferten, was sie enthielten. Er klickte und klickte, öffnete einen Ordner nach dem anderen, klick, klick, klick, sagte sich klick, klick, dass eine bestimmte Rechnung zu finden ebenso unmöglich war wie die Nadel klick im Heuhaufen oder klick, klick eine Träne im Ozean oder ein Furz klick in einem Sandsturm. So viele Ordner für so wenig Gewinn!, dachte er. Und was waren das überhaupt für Dokumente? In einigen Ordnern waren sogar Fotos! Diese verdammte Tochter! Wie hatte seine Tochter ihn so hintergehen und an diesem teuren Computer ihre Zeit mit persönlichen Dingen vertun können? Jawohl, klick, sollte sie doch hingehen, wo der Pfeffer wuchs. Sabite hatte recht.
Aristot scrollte durch die Fotos. Drei lächelnde Mädchen. Eine davon war Banu, die andere Azime, die Dritte kannte er nicht, alle drei in Schuluniform. Er hielt inne. Azime war ein hübsches Mädchen, warum wollte sie keiner heiraten? Banu sah am besten aus, da war sie natürlich die erste Wahl, aber seine Tochter sollte eigentlich nicht weit hinter ihr zurückstehen. Wieso wollten die Männer nichts von ihr wissen? Ihr Mundwerk – ja, das war die Antwort. Ihr freches Mundwerk. Welcher Mann will schon eine Frau, die den Mund nicht halten kann?
Er öffnete einen weiteren Ordner, er trug den Namen »Couchgarnituren«. Vorgebeugt an seinem Schreibtisch, las Aristot auf dem Bildschirm, was seine niederträchtige, faule, vorlaute, respektlose Tochter geschrieben hatte.
»Selbstverständlich hat
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