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funny girl

funny girl

Titel: funny girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony McCarten
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schneller als ich.
    NIMM DIESES VIDEO RUNTER, SOFORT!!!! Ich muss davon kotzen.
    medhi77 vor 29   Minuten
    auf mein kommando bricht die Hölle los.
    salim86   729 vor 27 minuten
    Medhi77, das war der, der auch die Nachricht auf Facebook gepostet hatte. Das Herz schlug Azime bis zum Hals. Nur neunundzwanzig Minuten waren vergangen, seit dieser Extremist, der genau wie sie tief in der Nacht an seinem Computer saß, sie zum Tode verurteilt hatte.
    Die Heizkörper der Wohnung, die gerade einen neuen Wärmestoß bekamen, knackten laut, als das Metall sich ausdehnte. Azime fuhr zusammen. Sie war grässlich allein hier in der Wohnung, aber wohin konnte sie gehen? Sollte sie vielleicht doch die Polizei rufen? Aber was konnte die mitten in der Nacht schon tun? Sollte sie Deniz anrufen, damit er Arthur alarmierte? Immerhin konnten die Schreiber dieser Drohungen nicht wissen, wo sie sich in diesem Augenblick befand. Oder doch? War ihr womöglich jemand gefolgt? Sie knipste das Licht aus, ging an die Vorhänge, blickte ein weiteres Mal hinaus auf die Straße. Nein. Niemand beobachtete sie. Keine vermummte Gestalt lungerte dort unter der Straßenlaterne. Nichts, weswegen sie jetzt auf der Stelle die Polizei hätte holen müssen – aber es musste ja auch nicht wirklich jemand dort draußen sein –, von jetzt an musste sie nicht wirklich jemand verfolgen, damit sie glaubte, verfolgt zu werden.
    Azime prüfte die Schlösser an Fenstern und Wohnungstür. Erst danach knipste sie das Licht wieder an, ging ins Bad und nahm die längste Dusche, die sie nehmen konnte, so lange, bis der Boiler leer war; von heiß bis warm, dann lauwarm und schließlich kalt, bis sie vor Kälte zitternd in der Wanne saß. Vor dem Spiegel, in zwei Handtücher gewickelt, verriet ihr Gesicht ihr die ganze Geschichte. Sie sah aus wie eine verängstigte Ausgabe ihrer selbst.
    In ihrem XXL -T-Shirt kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und starrte den geschlossenen Deckel des Laptops an. Jetzt musste sie überlegen – allein in einem Haus, das nicht ihr eigenes war, außerstande, nach draußen zu gehen, nicht in der Stimmung, jemanden anzurufen, zu einer Stunde, zu der sie keine Hilfe holen konnte –, überlegen, wie sie den Rest der Nacht in dieser Wohnung überstehen sollte. Ihre Armbanduhr zeigte eine bedrückende Anzahl Stunden, bis die Sonne schließlich dieses Dunkel vertreiben, durch trübe Wolken wieder auf die trübe Straße scheinen würde. Und während sie wartete, stellte sich eine Idee ein, eine, die sie zunächst verwarf, die aber doch immer überzeugender wurde, befeuert von den Bildern vor ihrem inneren Auge – von Männern, die an die Scheiben eines Autos schlugen, die Gesichter von Hass verzerrt, von Mehlsäcken, die ihr über den Kopf gezogen wurden, von Blut, das aus dem Körper strömte, von der elektronischen Ankündigung neuer Drohungen, wann immer sie einen Computer anfasste, von dem Wort tot, das ihr immer wieder neu an den Kopf geworfen wurde, tot, tot, tot, du hure der weißen – bis sie um sechs Uhr morgens ganz genau wusste, was sie zu tun hatte.
    Um 8   Uhr   30 klopfte sie an eine Haustür.
    Ihr Bruder öffnete ihr.
    Wie glücklich war sie, dass sie eintreten konnte.
    Sie kehrte zurück in die Welt ihrer Kindheit – eine Welt, wo sie nicht einfach nur Azime war, sondern Azime Gevaş, von den Gevaş’ aus Green Lanes. Und damit gestand sie sich ein, dass ein gewisser Traum, den sie gehegt hatte, gescheitert war. Als sie davongelaufen war, hatte sie geglaubt, sie könne es allein schaffen, hatte geglaubt, sie könne aller Welt – und ganz besonders sich selbst! – beweisen, wozu sie fähig war, ohne dass über allem der Schatten der Familie schwebte, einer liebenden Familie, die es zwar gut mit ihr meinte, ihr aber die Luft zum Atmen genommen hatte. Einer Familie, die Azimes Persönlichkeit zurechtgebogen hatte, bis sie den Bedürfnissen der Familie entsprach. Einer Familie, die ihren Namen dem kleinen Dorf verdankte, das ein Kalif im 12.   Jahrhundert gestiftet hatte und das noch immer nach Werten aus jenem Jahrhundert lebte. Doch mit diesem Traum war sie jetzt fertig. Ihr Experiment des selbständigen Lebens war gescheitert. Azime kam sich jetzt nicht mehr tapfer vor, interessant, als jemand Besonderes, der etwas Besonderes erreichen konnte. Sie kam sich klein und ängstlich vor, sie hatte ihre Deckung verloren, sie war allein, ohne Unterstützung, von allem abgeschnitten, sogar ein wenig krank, im Herzen bekümmert.

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