Furious love
sich durchkämpfende Malerin zu sehr wie aus Architectural Digest entsprungen (»Jeder arme Schlucker kann sich so eine für vierzig- oder fünfzigtausend Dollar« kaufen, heißt es in einer damaligen Kritik.) Im Jahr 1965 war Elizabeth Taylor als Elizabeth Taylor einfach schon zu bekannt, um hinter einem anderen Charakter zu verschwinden, und ihre opulente Hochglanzschönheit und üppiger werdende Figur machten sie ungeeignet für die Rolle der neuen Amerikanerin, die in den »Swinging Sixties« die Bühne betrat – mit sexuellen Abenteuern, ohne Schuldbewusstsein, oft androgyn und voller freundlicher, fröhlicher Unschuld –, ein Geist, den damals jüngere Schauspielerinnen wie Julie Christie, Vanessa Redgrave und Jane Fonda verkörperten. Elizabeth mag das neue Verhältnis zur Sexualität mit ausgelöst haben, aber im Alter von 32, nach fünf Ehen, vier Kindern, 31 Filmen und einer Zeit der Ungnade in aller Welt
schleppte sie einfach zu viel Geschichte mit sich, um die neue Frau verkörpern zu können. Sie war eine Königin, und es gab nicht mehr viele Rollen für Königinnen in den folgenden drei Jahrzehnten.
Burton schnitt wesentlich besser ab. Er war unzufrieden mit dem Text und bastelte daran herum, doch wie viel er zu dem endgültigen Drehbuch beigetragen hat, ist nicht bekannt. In Dr. Hewitts Geständnis »Mein Selbstbetrug hat schon vor Jahren begonnen« hallt Marcus Antonius’ »Die letzte Fahnenflucht: Die Flucht vor mir selbst« nach. Dass er im Film wiederholt durchlebte, wie er Sybil verließ, wurde zu einer wachsenden Bürde, mit der Richard vielleicht nicht gerechnet hatte. Er fühlte sich zutiefst schuldig, weil er Sybil und seine beiden Töchter verlassen hatte, besonders wegen Jessica, die ihn wohl am meisten gebraucht hätte. Zuvor hatte er schon seinem Vater – und damit seiner walisischen Identität – den Rücken gekehrt. Inzwischen schickte er seinen Geschwistern in Port Talbot und Pontrhydyfen Tausende Pfund als Zuwendungen oder Entschädigungen, unterstützte ihre Familien mit jährlichen Schecks und Weihnachtsgeschenken. Er bewahrte seine Brüder vor einem Leben in den Gruben, beruhigte auf diese Weise aber auch sein schlechtes Gewissen als Davongekommener. Er hatte seinem Bruder Graham Arbeit als sein Double verschafft, seinen älteren Bruder Ifor als eine Art Hausmeister für das Haus in Céligny angeheuert, das er nach der Scheidung von Sybil behielt. Er holte sogar Brook Williams, den Sohn seines früheren Mentors Emlyn Williams, in sein Gefolge, aber all das genügte nicht. Und nun musste er diese Schuldgefühle wieder und wieder vor der Kamera durchleben. Das war eine Qual, die Sex, Geld, Ruhm und Alkohol nur zu einem gewissen Grad lindern konnten.
Was Elizabeths psychische Last angeht, so gibt es eine aufschlussreiche Textstelle in … die alles begehren, die sie aus ganzer Seele spricht. Als sie Hewitt die Ursache für ihr Misstrauen gegenüber Männern zu erklären versucht, vertraut sie ihm an: »Seit meinem zwölften Lebensjahr starren die Männer mich an und versuchen, mich zu berühren … Ich wurde von vielen Männern besessen, aber nicht geliebt.« Kein Wunder, dass sie an
Burton hing wie an Mike Todd – weil von allen Männern, die sie kannte, nur diese beiden sie so geliebt hatten, wie sie geliebt werden wollte.
Trotz der abschätzigen Kritiken (in einigen wurde die Nase gerümpft über ihr tiefe Einblicke gewährendes Dekolleté und ihr im Laufe des Films sichtbar wechselndes Gewicht) machte … die alles begehren mit 14 Millionen Dollar Einnahmen enormen Profit. Er verwies sogar den Blockbuster des Studios aus demselben Jahr, The Unsinkable Molly Brown mit Elizabeths früherer »Rivalin« Debbie Reynolds, auf den zweiten Platz und bewies, dass Sex über Quirligkeit siegt – jedenfalls an den Kinokassen. Das Publikum hatte immer noch nicht genug von Neuauflagen des weltbewegenden Ehebruchs dieses Paares.
In Paris bewohnten die Burtons zwei Etagen des Lancaster, um Platz zu haben für ihre Nomadenkinder – die Wilding-Jungen Michael und Christopher, Liza Todd und die vierjährige Maria Burton, die immer noch Hüftoperationen über sich ergehen lassen musste. Der Hauslehrer Paul Neshamkin, der schon in Puerto Vallarta bei ihnen gewesen war, wohnte auch dort. Er hatte den Eindruck, dass die Kinder von ihren Eltern übergangen und »einer älteren Erzieherin« überlassen wurden. Sahen sie dann doch einmal nach ihnen, war es mehr wie eine »königliche Visite«.
Weitere Kostenlose Bücher