Furor
hin.
Sie schaute ihn erstaunt an. »Du hast doch eben gesagt . . .«
»Aber jetzt sage ich etwas anderes. Kennst du dich damit aus?«
Sie schüttelte den Kopf. Er zeigte ihr, wie die Waffe ent- und gesichert wurde und wie man das Magazin wechselte. Dabei behielt er die ganze Zeit die Straße im Auge. Eine Streife näherte sich zügig. Es wurde Zeit.
»Ich kann gegen die Arschlöcher mit dieser Waffe sowieso nichts ausrichten. Aber du wirst sie vielleicht brauchen.« Er schob den Karton vor seinem Gesicht zur Seite. »Warte noch fünf Minuten, okay? Dann sieh zu, dass du zum Institut kommst.«
Bevor er loslief, sah er sich die Umgebung noch einmal sorgfältig an und ging in Gedanken die nächsten Schritte durch. Dann schob er leise den Rest des Mülls von seinem Körper und kroch bis zum Bürgersteig.
Im nächsten Augenblick war er weg. Sareah hörte Warnrufe und Befehle, eine Waffe wurde abgefeuert, eine zweite fiel ein.Dann erstarrte sie bei einem lauten Schrei. Aber es war kein Schmerzensschrei, sondern ein grelles Jauchzen. Es klang beinahe wie ein Kampfruf. Schließlich hörte sie das Trampeln schwerer Stiefel, weiße Helme fegten vorbei. Die Schreie und Schüsse verloren sich in der Ferne.
Nach fünf Minuten schlich auch sie sich zur Straße. Das Viertel war wie ausgestorben. Sie rannte los.
Sebastian strampelte verzweifelt, bis er den Rand der oberen Röhre zu fassen bekam. Er zog sich hoch, den Verfolger diesmal nur weniger Meter hinter sich. Und wieder ging das Spiel von vorn los. Er schob sich vorwärts, so schnell er konnte, in der Hoffnung, die Distanz zwischen sich und seinem Verfolger wieder zu vergrößern.
Aber wieder spürte er, dass er langsamer wurde. Er musste sich jetzt über den Gängen des dritten Untergeschosses befinden. An der nächsten Kreuzung spürte er einen warmen Luftzug, der ihn von der Seite anblies. Ohne zu überlegen, bog er ab, der Wärme entgegen. Erst nach einigen Metern wurde ihm klar, dass sein Unterbewusstsein eine gute Entscheidung getroffen hatte. Wenn der Typ hinter ihm einen Wärmemelder hatte, dann konnte Sebastian ihn in dieser Umgebung vielleicht abhängen. Irgendwo hier unten musste der Heizungskeller liegen. Vielleicht kam die Wärme von dort. Sebastian nahm nun an jeder Kreuzung die Abzweigung mit der wärmsten Luft. Inzwischen schwitzte er nicht mehr allein wegen der Anstrengung aus allen Poren. Er beschloss, bei der nächsten Gelegenheit zu überprüfen, wie stark die Abdeckungen der Lüftungsstutzen waren. Er musste alles auf eine Karte setzen.
Endlich gelangte er wieder an einen der Stutzen. Er kroch darüber hinweg und schob dann rückwärts die Beine hinein. Schließlich stand er gebückt auf der Abdeckung und drücktesein Kreuz gegen die Decke. Das Blech, auf dem er stand, bog sich durch, ebenso der Kunststoff über seinen Schultern. Sonst geschah nichts. Er ging in die Knie, streckte sich dann und ließ die Schultern gegen die Decke krachen. Es gab einen dumpfen Schlag, aber noch immer stand er auf der verfluchten Abdeckung des Lüftungsstutzens. Wie lange hatte er wohl noch zu leben, wenn er jetzt nicht schleunigst hier herauskam? Wenn es jemals einen Zeitpunkt gegeben hatte, die sprichwörtliche Kraft der Verzweiflung zu spüren, dann jetzt, verdammt noch mal. Sebastians Angst verwandelte sich in Wut. Aus der Ferne hörte er die vertrauten Geräusche. Verfluchte Scheiße, dachte er, jetzt oder . . .
Er schmetterte die Füße mit aller Kraft auf die Abdeckung. Es krachte, und das Licht, das zuvor von unten nur einen schwachen Schimmer heraufgeschickt hatte, brach jetzt heller an der Seite des Bleches hervor. Eine Ecke der Abdeckung hatte sich gelöst. Sebastian zog die Füße noch einmal hoch. Im Licht sah er dort, von wo er gekommen war, wie sich in einigen Metern Entfernung ein Gesicht aus dem Schatten schälte. Vor dem Gesicht konnte er Hände erkennen, die zwei Gegenstände hielten. Ein langer Lauf glitzerte metallisch. Das andere Gerät war kaum zu erkennen. Sebastian sah kleine Lichtpunkte, die sich in den Augen seines Verfolgers spiegelten. Das Gesicht erinnerte ihn an jemanden. Aber er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Er ließ die Füße wieder auf die Abdeckung krachen. Dann verlor er den Halt unter den Füßen. Seine Hände rutschten ab, und er schlug mit den Ellenbogen auf den Rand des Stutzens. In einem Regen aus Staub und Dreck flog er aus dem Rohr heraus und schlug neben der Abdeckplatte auf dem Boden auf. Ein stechender
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