Furor
nach unten zeigte und in Lüftungsschlitzen mündete. Ein schwacher Lichtschein drang hier in die Röhre, und er konnte einen Blick auf den Dreck werfen, durch den er kroch.
Er machte eine Pause. Diesmal hörte er das Geräusch des Typen sofort, allerdings erheblich leiser als zuvor. Der Mann blieb also etwas zurück. Die Geräusche erstarben. Jetzt musste er an der Kreuzung angelangt sein. Sebastian hielt den Atem an. Wenn der Typ hoffte, er könnte jetzt hören, wie Sebastian sich bewegte, dann hatte er sich geschnitten. Rate mal, wo ich bin, dachte er. Die Chancen stehen zwei zu eins zu meinen Gunsten.
Plötzlich spürte er ein Kratzen im Hals. Verdammter Staub. Aus dem Kratzen wurde ein würgender Druck. Sebastian schluckte mehrmals hektisch und hoffte, dadurch ein Husten unterdrücken zu können.
Wieder dieses Piepen. Und wieder wurde es schneller und endete in einem Summton. Dann hatte sich der Killer für den richtigen Gang entschieden. Verdammt, das durfte doch nicht wahr sein, dachte Sebastian. Verzweifelt raffte er sich auf, hustend und spuckend. Jetzt war es egal, ob der Killer ihn hören konnte oder nicht. Im dämmrigen Licht spürte er, dass seine Arme Wolken aus Staub aufwirbelten, die sich in seine Lunge legten wie ein alter Filzteppich. Und immer wieder hatte er das Gefühl, als würden klebrige Fäden durch sein Gesicht gezogen. Was war das bloß für ein Gerät, das sein Verfolger benutzte? Eine Art Richtmikrofon?
Plötzlich stieß er mit dem Kopf gegen eine Wand. Die Röhre führte über und unter ihm senkrecht weiter. Hier waren die Röhrensysteme der einzelnen Etagen miteinander verbunden. Er drehte sich auf den Rücken, schob seinen Oberkörper mit ausgestreckten Armen in die obere Röhre hinein. Indem er seine Hände seitlich gegen die Wand presste, konnte er sich hochziehen, bis er die Füße gegen die Kante stemmen konnte. Er zog sich hoch und hinein in ein kurzes, waagerechtes Stück. Nach einem halben Meter wiederholte sich das ganze Spiel. Die Systeme zweier Etagen waren an dieser Stelle über ein geknicktes Zwischenteil verbunden. Jetzt hatte er das System der zweiten Kelleretage verlassen und war in das nächsthöhere gelangt. Hier führte der Gang in die Richtung zurück, aus der Sebastian gekommen war, nur dreieinhalb Meter höher. Nach unten führte vermutlich ein entsprechender Knick. Er hoffte, den Killer ein gutes Stück hinter sich gelassen zu haben. Aber während er sich noch in den zweiten waagerechten Röhrenteil hineinzog, hörte er das Schleifen von Metall. Keine Zeit für eine Pause. Er hatte keine Ahnung, wie weit er sich jetzt schon kriechend fortbewegt hatte, aber langsam ging ihm wieder die Puste aus. Er kroch geradeaus, ohne auf die senkrechten Röhrenstücke zu achten, auf die er stieß. Von dort unten schimmerte jedesmal einwenig Licht herauf. Und dort unten führten die Institutsgänge in die Freiheit. Könnte er nicht versuchen, durch einen dieser Stutzen aus den Röhren herauszukommen? Denk drüber nach, während du weiterkriechst, befahl er sich.
Den Killer musste er jetzt ein gutes Stück hinter sich gelassen haben, das Piepsen war schon eine ganze Weile verstummt. Er schob den linken Arm unter seinen Körper und versuchte, an seine Hosentasche zu kommen. Nach einigen verzweifelten Bemühungen gelang es ihm, sein Handy aus der Gesäßtasche hervorzuziehen. Aus der Ferne hörte er wieder das bedrohliche Schleifen. Er tippte Matos Nummer ein.
Dessen Stimme überschlug sich fast, als er anfing zu reden: »Sebastian. Was ist passiert? Was sollen wir machen wegen Sareah? Was . . .«
»Hör zu«, flüsterte Sebastian. »Ich werde verfolgt. Tu bitte, was ich dir sage. Sei zwanzig Sekunden ganz leise, und dann schrei in das Mikro, so laut du kannst. Frag jetzt nicht, mach einfach!«
Mato schwieg.
Sebastian zog sich wieder in die Höhe und horchte von dort hinunter. Der Killer war, den Geräuschen nach, noch ein Stück entfernt. Sebastian stellte die Lautstärke seines Telefons hoch, dann streckte er die Hand, so weit es ging, in Richtung seiner Beine und ließ das Mobiltelefon in die Tiefe fallen. Es stürzte an dem Gang, aus dem er gekommen war und in dem jetzt der Killer steckte, vorbei und landete mit einem dumpfen Knall auf der Röhre. Dann schob sich Sebastian langsam von der Abzweigung weg, bis er den nächsten senkrechten Teil erreicht hatte. Hier drehte er sich leise auf den Rücken, blieb liegen und fing an zu zählen. Als er bei siebzehn angekommen
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