Furor
für die Notbeleuchtung erwischt. Jetzt war es stockdunkel. Er hastete zur Tür, die er sich gemerkt hatte, fand die Klinke, riss die Tür auf, schlüpfte hindurch und fand sich in einer winzigen Kammer. Er versuchte, flach zu atmen, und schloss die Augen. Der Schweiß rann ihm von der Stirn und brannte unter seinen Augenlidern. In der Kammer kam es ihm noch wärmer vor als bei den Öfen. Aber: Je wärmer, desto besser. Seinen Wärmemelder konnte Barth so vergessen.
Er hörte, wie sich die Tür zur Schaltzentrale öffnete. Langsame Schritte, dann wieder Stille. Da war es wieder, dieses Piepen. Unregelmäßige kurze und lange Pieptöne. Wieder die Schritte. Gedämpft durch die Tür, verrieten ihm die Geräusche nicht, wohin sein Verfolger sich bewegte. Nach drei, vier Schritten blieb er stehen. Wieder das Piepen. Sebastian stellte sich vor, wie der Kerl sein Gerät langsam herumschwenkte. Unter dem Türschlitz plötzlich ein Lichtschein! Barth hatte eine Taschenlampe.
Die Pieptöne wurden plötzlich länger und länger, bis das Gerät nur noch einen lang anhaltenden Ton abgab. Sebastians Magen krampfte sich zusammen. Wenn der Killer jetzt an die Tür käme . . . Alle Muskeln seines Körpers spannten sich. Das war es dann wohl.
Hobbes war seit Jahren nicht mehr so gelaufen. Es war wie früher. Wieder hetzte ihn eine Meute, und wieder schlug er Haken um Haken, sprintete in Hinterhöfe, über Müllhaufen, überstieg niedrige Mauern, landete in der Sackgasse. Über eine kleine Pforte ging es weiter, wieder in einen Hinterhof mit kniehohem Müll. Eine unverschlossene Tür, ein Treppenflur, dann wieder die Straße.
Nachdem er sich von Sareah getrennt hatte, war er das erste Stück für jedermann sichtbar über die Straße gerannt. Sämtliche Polizisten, die sich auf seiner Höhe befunden hatten, waren sofort hinter ihm her gewesen, behinderten sich aber gegenseitig. Ein paar Kugeln, die gefährlich nahe gekommen waren, hatten ihn dennoch verfehlt.
Jede Häuserecke, die er zwischen sich und die Bullen bringen konnte, war eine Chance, die Richtung zu ändern, ohne von ihnen gesehen zu werden. Nach zwanzig Metern mitten auf der Straße war er in eine Seitengasse gerannt, seine Verfolger von zwei Seiten nach sich ziehend. Immer wieder war es ihm gelungen, sie abzuhängen, doch von überall tauchten irgendwann Polizisten und Helikopter auf.
Ursprünglich hatte er gehofft, die Bullen einfach abzuhängen. Aber sie waren überall. Er war weiter und weiter gelaufen, bis er schließlich in eine Gegend gekommen war, die er gut von früher kannte. Dann fiel es ihm wieder ein: natürlich konnte er nicht sicher sein, dass es ihren Treffpunkt noch gab. Aber er musste jetzt schnell handeln.
Er kletterte auf eine kleine Mauer, die zwei Hinterhöfe im Glockenbachviertel voneinander trennte, und sah seine Verfolger von vorn und von hinten kommen. Er richtete sich auf und sprintete die kurze Mauerkrone entlang, sprang dann auf das Fenstersims eines dreistöckigen Hauses und von dort an das Fallrohr der Regenrinne. Das Rohr führte in einem Winkel des Hauses in die Höhe, die ihn vor den Verfolgern hinter ihmverbarg. Die anderen aber begannen, aus allen Rohren zu feuern. Um ihn herum flog der Putz von der Häuserwand. Dann hatte er die Dachrinne erreicht und schwang sich auf das Dach. Während er die Schräge hinaufrannte, krachten die Dachpfannen unter seinen Füßen. Es hatte zum Glück seit Stunden nicht mehr geregnet, und das Dach war nicht so feucht, wie er befürchtet hatte. Am Dachfirst hielt er an und sah sich um. Sie machten sich jetzt vermutlich daran, das Haus zu umstellen und in den Hausflur einzubrechen. Von hier oben sah er Polizeiwagen mit Blaulicht in allen Straßen der Umgebung stehen, andere patrouillierten schneller oder langsamer durch das Viertel. Zwei Helikopter näherten sich.
Das Haus war umgeben von höheren Gebäuden. Hobbes rannte den First entlang. Die Fassade des gegenüberliegenden Nachbarhauses war drei Meter entfernt, er musste dort die Terrasse einer Penthousewohnung erreichen, möglichst ohne sich den Hals zu brechen.
Er sah hinunter auf die Straße und drehte sich noch einmal um. Ein Stück hinter ihm befand sich ein Dachfenster. Er trat die Scheibe ein. Das Glas prasselte in die graue Badewanne. Vorsichtig stieg er hinein und versuchte, unverletzt an den Scherben vorbeizukommen. Er riss die Tür des altmodischen Badezimmers auf und rannte durch die Wohnung. Ein alter Mann starrte ihn erschrocken aus
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