Fußfall
senkte die Stimme. »Dmitri sagt immer, und in dem Punkt bin ich seiner Ansicht, daß wir ihnen unsere wahre Kraft nicht zeigen dürfen. Wer viel leistet, von dem wird man immer viel erwarten. Wer zu viel tut, schadet den anderen.«
»Klingt nach einer guten Ausrede – mir soll’s recht sein. Gott, bin ich müde.« Sie streckte sich und ließ sich unter dem Einfluß der geringen Schwerkraft langsam an eine der Kanalwände treiben. »Ausruhen ist doch was Schönes. Für ‘ne Zigarette könnte ich glatt jemand umbringen.«
Arwid schnaubte verächtlich. »Es gibt nichts umzubringen und auch nichts zu rauchen.«
An dieser Tatsache war zwar nichts Lustiges, aber da Jeri nach Lachen zumute war, lachte sie.
»Sie sind mit Ihrer Tochter hier. Wo ist Ihr Mann?«
»Ertrunken.«
»Das tut mir leid.«
»Ja. Wir hatten uns ein ganzes Jahr lang nicht gesehen, aber ich war auf dem Weg zu ihm, und die Rüßler haben einen Staudamm in die Luft gejagt, gleich in der ersten Nacht. Sein Haus stand unterhalb.«
Arwid sah beiseite.
Er ist nett, zumindest gibt er sich Mühe. »Und sind Sie verheiratet ?«
»Ich weiß nicht. Jedenfalls war ich es. Auch ich hab meine Frau ein paar Monate nicht gesehen, weil ich im Weltraum war. Sie ist Russin, und der Stützpunkt lag in der Ukraine. John Woodward hat mir gesagt, er habe von Aufständen in der Sowjetunion gehört. Angeblich sehen die islamischen Republiken die Invasion als Strafe Allahs an. Auch die Ukrainer wollten nie zu Rußland gehören.«
»Macht Sie die Ungewißheit nicht wahnsinnig?«
»Natürlich. Wir Russen sind sehr sentimental. Aber was soll ich tun, trauern? Für sie bin ich tot, so oder so. Ich werde sie kaum je wiedersehen.«
Jeri riß vor Entsetzen den Mund auf. »Ich … so hab ich das noch gar nicht gesehen. Lebend kommt von uns wohl keiner zurück, was?«
Erneut zuckte Arwid die Achseln. »Höchstens als Mitglied ihrer Herde. Das setzt voraus, daß sie gewinnen. Rußland wird sich kaum ohne weiteres ergeben und die Vereinigten Staaten wohl auch nicht. Ihr Amerikaner seid starrsinnig.«
»Vielleicht. Wir sagen gern, daß wir die Freiheit lieben.«
»Wissen Sie viel über Rußland?« fragte Arwid.
»Nein. Ein bißchen aus dem Radio. Dann weiß ich noch von dem Angriff auf Rußland.«
»Und das war erst der erste Angriff«, sagte Arwid. »Beim nächstenmal wird es viel ernster.«
»Was werden sie tun?«
»Das Schiff ist ›mit einem FUSS verpaart‹. Nikolai hat es gesehen .« Er berichtete ihr von Nikolais Vermutungen.
»Sie glauben also, daß sie den Asteroiden auf die Erde werfen wollen?«
»Was sollte sie daran hindern?« fragte Arwid.
»Natürlich, von ihrem Standpunkt aus klingt das vernünftig.« Sie zitterte. »Entsetzlich. Und wir glaubten, es sei schlimm, als sie die Brücken und Staudämme angegriffen haben. Dabei kommt das Schrecklichste erst noch.«
»Ja. Es ist angenehm, Ihnen diese Dinge nicht lange erklären zu müssen.«
Sie machte eine verlegene Geste. »Sie dürfen uns Frauen nicht für dumm halten.«
Er zuckte die Achseln. »Na ja, es gibt solche und solche, wie bei Männern auch. Vielleicht sollten wir allmählich wieder mit der Arbeit anfangen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, könnten wir zusammenbleiben.«
»Von mir aus.«
***
Nebel lag über Bellingham, und es regnete. Aus dem Hafenbezirk tönten ferne Arbeitsgeräusche zur Wagenburg herauf: Hämmern, Nieten, das Dröhnen von Lkw- und Barkassenmotoren … etwas Schnarrendes …
»Das scheint ja ein gewaltiges Gewächshaus zu werden«, sagte Isadore und lachte.
George TateEvans betrachtete das Werk ihrer Hände und stimmte in das Lachen ein. »Sicher größer als unseres.« Sie gingen wieder ins Haus.
Kevin Shakes sah ihnen nach und machte sich dann wieder an die Arbeit. »Ich hatte gedacht, daß wir eigentlich ganz ordentlich was auf die Beine gestellt hätten«, sagte er.
»Haben wir auch«, gab Miranda zur Antwort.
Tatsächlich hatten sie viel geleistet. Wo einst große Fenster gewesen waren, sah man jetzt stählerne Schlagläden. Dort, wo über dem geheimen Schutzraum der Tennisplatz gelegen hatte, stand das Gerippe eines Gewächshauses. Kevin verkleidete es gerade sorgfältig mit Glas. Die beiden untersten Reihen hatte er fertig. Jetzt mußte er die rollende Leiter zu Hilfe nehmen. Miranda reichte ihm Werkzeug und Scheiben und schob die Leiter weiter.
George TateEvans und Isadore Leiber brachten ein halbes Dutzend große Scheiben heraus. Kevin hörte, wie George
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