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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic
Autoren: William Gibson
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eine Ratte vorbeihuschen sieht, Richtung Oakland. Dann noch eine, und eine dritte. Ratten wissen Bescheid, und die Brückenratten gelten als die klügsten, weil ihnen die Meute wilder Katzen auf der Brücke ebenso ausdauernd nach-stellt wie die unzähligen genauso wilden Kinder mit ihren aus Flugzeugaluminium und IV-Schläuchen gebastelten Schleudern.
    Diese Brückenschleudern sind nicht nur für Ratten tödlich; ihre Benutzer haben nämlich ein Faible für Kugeln aus massivem, feuchtem Lehm, ein aus dem Mittelalter herübergeretteter, nicht zu unterschätzender Trick.
    Fontaine sieht zu, wie die Ratten vorbeiflitzen, und seufzt. Irgendwo hat er ein Feuerwehrbeil, Bergungsgut von einem Schlepper, der 2003 im China Basin gesunken ist, und auch einen Feuer-löscher, aber er kann sich nicht vorstellen, dass die ihnen viel nützen werden, obwohl sie natürlich ein Loch in die Rückwand hacken und in die Bucht springen könnten. Er fragt sich, ob es dort wirklich Haie gibt, wie die Brückenkinder glauben. Allerdings weiß er mit Sicherheit, dass es da unten mutierte Fische gibt, die angeblich von Oxiden aus den Pfeilern der Kabeltürme deformiert worden sind.
    Fontaine hat jedoch schon viele Katastrophen öffentlicher wie auch ehelicher Art überstanden, und etwas in ihm glaubt wider alle Wahrscheinlichkeit und jede Hoffnung, dass alles schon irgendwie gut ausgehen wird. Oder dass man gegen gewisse Dinge gemeinhin eh nicht viel machen kann, zumindest er nicht.
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    Statt also den Schrank zu durchwühlen, in den er dieses Feuerwehrbeil getan hat, wie er sich zu erinnern glaubt, nimmt er jetzt seinen Besen zur Hand und fängt an, im vorderen Teil des Ladens sauber zu machen. Er fegt so viel Glas wie möglich auf einen Haufen bei der Tür zusammen. Glas, überlegt er beim Fegen, ist eine jener Substanzen, die relativ wenig Platz einnehmen, bis man es zerbricht. Aber er entsinnt sich, mal gelernt zu haben, dass es – über wahrhaft kosmische Zeiträume hinweg betrachtet – auch eine Flüssigkeit ist. Alles Glas in sämtlichen Fensterscheiben überall auf der Welt ist in dem unendlich langsamen Prozess des Schmelzens, Heruntersackens und Herabrutschens begriffen, nur dass kaum eine Scheibe die Jahrtausende überdauern wird, die es brauchte, um sie in eine echte Pfütze zu verwandeln.
    Derweil gesellen sich draußen flüchtende Menschen zu den Ratten, Gefährten so verschiedener Art, wie sie nur die Brücke zu bieten hat. Er hofft, dass Ciarisse und die Kinder in Sicherheit sind; er hat versucht, sie anzurufen, aber es hat sich niemand gemeldet, und unter den gegebenen Umständen schien es wenig sinnvoll, eine Nachricht zu hinterlassen.
    Er schaut sich um und sieht Rydells Hologrammfreundin am Bett knien und mit dem Jungen sprechen. Neben dem Jungen sitzt der Professor, der sich die Kit Gun ausgeborgt hatte, und sie kommen Fontaine in diesem Moment wie eine vielleicht ungewöhnliche, aber durchaus liebevolle Familiengruppe vor. Fontaine hat so lange mit dem technischen Wandel gelebt, dass er nicht nach dem Wie oder Warum fragt, was dieses Mädchen betrifft: Sie ist wie ein Spieleprogramm, das in die Realit ät über-wechselt und sich zu einem ins Zimmer setzt, denkt er, und manche Leute fänden das ganz prima.
    Nun stößt er beim Fegen an ein Hindernis: die hingemeuchel-ten Another-One-Puppen in ihrer Pfütze aus konsensuellem Silikon. Wenigstens spricht jetzt keine mehr. Es sieht schrecklich und grausam aus, wie er mit dem Besen inmitten von Glasscherben gegen sie stößt, und darum lehnt er den Besen an den Tresen 324
    und fischt eine an den schlaffen Armen aus dem Glas. Er trägt das pseudo-japanische Baby nach draußen und legt es vor dem Laden auf den Rücken. Die anderen folgen, und als er gerade das letzte hinlegt, sieht eine dicke Frau, die mit einer Bettdecke voller nasser Wäsche in den Armen Richtung Treasure Island flieht, was er da tut, und fängt an zu schreien. Und schreit die ganze Zeit weiter, bis die Dunkelheit sie verschluckt, und ist immer noch zu hören, als er wieder in den Laden hineingeht und an Tourmaline denkt, seine erste Frau.
    Jetzt ist Rauch in der Luft, und vielleicht ist es nun wirklich an der Zeit, Beil zu suchen.
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    as Gebilde, das Laney sieht, wenn er Harwood, die Idoru, DR ydell und diese anderen betrachtet, ist für ihn nie ein Ort, ein bewohnbarer Raum gewesen. Angetrieben von einer neuen Eile (und praktisch um die gesamte Bevölkerung der Ummauerten Stadt vermehrt,
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